Wien - Selbst in Kriegszeiten stand der Handel mit Kunst in Europa nicht still, auch die Ölkrisen der 70er-Jahre taten der Entwicklung der Branche keinen Abbruch. Nicht wenige der gegenwärtig in zweiter Generation geführten Kunsthandlungen Wiens wurden damals begründet. Im Laufe der Jahre entwickelte sich innerhalb der heimischen Grenzen ein prosperierendes Segment. International spielte der florierende Binnenmarkt kaum eine Rolle. Angesichts der anstehenden Korrektur ein wahrer Trumpf.
Die vergangenes Wochenende zu Ende gegangenen Kunstmessen haben in vier Jahrzehnten schon einige Flauten überdauern können. Also durfte und darf man von bisherigen Erfahrungswerten ausgehen: Kunst wird zu jeder Zeit, nicht aber zu jedem Preis gekauft. Die aktuellen Bilanzen der Messeteilnehmer sind überraschend positiv, vermutlich weil sie mit reduzierten Erwartungen gekommen waren. Vielleicht regiert bloß der Zweckoptimismus, und der Jahresabschluss liefert die Entzauberung in Form einer leichten Stagnation nach Jahren des Wachstums.
Ein transparentes Bild liefert der Auktionsbereich. Die Nachfrage ist in den letzten acht Wochen selektiver geworden, an der Donau ebenso wie an der Themse oder am Hudson. Die stärksten Einbrüche verzeichnet man aber im obersten Preissegment, also in der Kategorie der bisher erfolgsverwöhnten Rekordanwärter. In den Umsätzen und Bilanzen spiegelt sich das auch - in Österreich weit weniger schlimm als andernorts.
Vor gröberen Problemen stehen dagegen die Global Players Christie's und Sotheby's. Mehr als ein Jahrzehnt verbuchte man Zuwächse und verlautbarte Rekordergebnisse, zuletzt in der Größenordnung von sechs Milliarden Dollar jährlich. Auf der Jagd nach höheren Absatzzahlen und noch besser verkäuflicher Ware taten immer mehr Zugeständnisse not: Käufern bot man großzügige Kreditrahmen, Verkäufern garantierte man Preise, die aber nicht immer erzielt werden konnten - zuletzt im Umfang von 200 Millionen Dollar bei den mit 150 Kunstwerken bestückten Auftaktsitzungen der Sparte Impressionist & Modern Art.
Findet sich allerdings kein Interessent, bekommt der Verkäufer dennoch sein Geld, das Kunstwerk wandert ins Depot und wird bestenfalls später einen Käufer finden. Es funktionierte - bis jetzt: dank einer ständig wachsenden kaufwilligen und vor allem finanzkräftigen Klientel. Vor diesem Hintergrund hatten die Auktionsgiganten vor einem halben Jahr auch die nun in London und New York im Angebot stehenden Kunstwerke akquiriert. Die Folgen: Die Absatzquoten wurden massiv nach unten korrigiert, Sotheby's holte sich einen Kredit in der Höhe von 250 Millionen Dollar, und die bis vor kurzem erteilten Zugeständnisse sind vermutlich Geschichte. (Olga Kronsteiner/DER STANDARD/Printausgabe, 15./16.11.2008)