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12.09.2006 - Kultur&Medien / Kultur News
Kulturpolitik: Großer Kuchen für Künstler
VON ANNE-CATHERINE SIMON UND NORBERT MAYER
Kulturpolitik. Wie die Parteien mit den Subventionen des Kunst-Staatssekretariats umgehen wollen.

An die hundert Millionen Euro stehen im Kanzleramt dem Staatssekretär für Kunst und Medien jährlich zur Verfügung, um künstlerisches Schaffen zu fördern. Dazu kommen noch 133 Millionen Euro Fixkosten für die Bundestheater - Staats- und Volksoper, Burgtheater. (Für die Finanzierung der Bundesmuseen ist hingegen das Bildungsministerium zuständig.) Seit dem Jahr 2000 verwaltet Staatssekretär Franz Morak (ÖVP) dieses Budget. Er setzte sich vor allem für stärkere Förderung der Regionen, für Südosteuropa und für den Film ein. Auch seine künftige Politik würde sich danach ausrichten.

Naturgemäß ganz anders urteilen Grüne und SPÖ: Die "totale Planlosigkeit" sieht Grünen-Kultursprecher Wolfgang Zinggl in der Morak-Ära verwirklicht, das ohnehin geringe Budget sei der "Spektakel- und Societykultur" zugutegekommen. SP-Kultursprecherin Christine Muttonen sieht die "unangepasste zeitgenössische Szene" durch Moraks Schuld "in der Luft hängen", Morak vertrete in Sachen Kunstförderung eine "mäzenatische" Haltung. Beide fordern ein eigenes Kulturministerium und die Realisierung der lang geforderten Künstlersozialversicherung.

ÖVP: Erleichterungen für das kreative Schaffen

Für die kommende Legislaturperiode strebt der amtierende Staatssekretär für Kunst und Medien, Franz Morak, vor allem eine Erhöhung der Investitionen in den audiovisuellen Sektor an. Er will den RTR-Filmförderungsfonds verdoppeln. In der Musikförderung will er gemeinsam mit dem Österreichischen Musikfonds ergänzende Aktivitäten setzen. Und in der Architektur "werden wir sicher ausgehend von den Ergebnissen des Baukulturreports, der demnächst vorliegt, weitere Initiativen setzen".

Was sind für ihn die bisher wesentlichen Punkte seiner Politik? "Im Parlament konnten wir seit langem unerledigte, sehr zentrale Gesetzesinitiativen durchbringen, wie etwa steuerliche Erleichterungen für Kunstschaffende, das Buchpreisbindungsgesetz, das Künstlersozialversicherungsfondsgesetz und gemeinsam mit dem BMJ das Verwertungsgesellschaftengesetz." Wichtig waren Morak "die internationale Präsenz, die verstärkte Zuwendung zu den Ländern Süd-, Ost- und Mitteleuropas sowie stärkere Initiativen in den Regionen". Das Budget für Kulturinitiativen konnte in den letzten Jahren um 15 Prozent erhöht werden. "Nicht zuletzt hat der Bund auch massiv in den Kulturstandort Österreich investiert" (Linz 2009, Festspiele Salzburg, Bregenz).

Wie sieht Morak die eigene Kulturpolitik im Vergleich zu jener der anderen Parteien? "Schwerpunkt der ÖVP-Kulturpolitik ist die direkte Förderung kreativen Schaffens jedes Einzelnen und nicht die Prämisse, Kulturpolitik sei die Fortsetzung der Sozialpolitik mit anderen Mitteln, wie dies bei SPÖ oder Grünen der Fall ist. Ansonsten sind mir schlüssige zukunftsweisende Konzepte der anderen Parteien nicht bekannt."

SPÖ: Kulturelle Bildung verbessern

Eine "buchstäblich konservative, also auf Konservieren, Verwalten und Verwerten ausgerichtete" Kulturpolitik wirft die SPÖ-Kultursprecherin Christine Muttonen Morak vor. Außerdem habe der Staatssekretär die Rückkehr zur "mäzenatischen Haltung" des Staates zu verantworten, nach dem Motto: "Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht." Fazit: "Große Teile der unangepassten zeitgenössischen Szene hängen in der Luft." Morak habe außerdem dilettantisch agiert und zu wenig kontrolliert.

Die wichtigsten Ziele:

  • ein eigenes Kulturministerium
  • eine eigene Abteilung darin für kulturelle Partizipation und Bildung. Ziel: "Eine möglichst gerechte, von Herkunft und Geld unabhängige Teilnahme und Entfaltung des kreativen Potenzials. Zwei Drittel aller Österreicher gehen ja laut Eurostat-Studie nie in ein Theater oder Konzert. Zuallererst müssen wir die kulturelle Bildung verbessern, auch außerhalb der Schule."
  • Anhebung des Kulturbudgets um fast 25 Prozent. "Unser Ziel ist ein Prozent des Gesamtbudgets. Dabei soll vor allem die zeitgenössische Kunst profitieren."
  • Bessere soziale Absicherung für alle atypisch Beschäftigten und somit auch für Künstler.

Grüne: Wirtschaftsminister soll zahlen

Totale Willkür ist für den Grünen Kultursprecher Wolfgang Zinggl das Hauptmerkmal der Morakschen Kulturpolitik. "Er hat das ohnehin so geringe Budget völlig planlos verschwendet, einmal an die Wörtherseebühne, dann wieder an ,Kunst und Gewalt` oder Francesca von Habsburg. Gleichzeitig hat er eine mehrjährige Förderung von Kulturinitiativen versprochen und genau diese Förderung dann stattdessen abgedreht, wenn die Künstler nicht gerade eine politische Lobby hinter sich hatten." Und er habe eine völlig unzulängliche "so genannte Künstlersozialversicherung" (Pensionszuschuss ab einer Mindesteinkommensgrenze, Anm.) statt wirklicher sozialer Absicherung geschaffen.

Wichtigste Ziele:

  • Zusätzlich 150 Millionen Euro pro Jahr mehr für Kunst- und Kulturförderung. Das Geld für "Spektakel- und Societykultur" soll teilweise aus dem Wirtschaftsministerium kommen. Das sei nur logisch, so Zinggl, wenn immer von der "Umwegrentabilität" (etwa der Salzburger Festspiele) die Rede sei.
  • Eine Überarbeitung des Museumsgesetzes, um die "Verschwendung" seitens der Direktoren und die "Schlampigkeiten" der Ausgliederung der Museen zu beenden.
  • Eigene Künstlersozialversicherung.

FPÖ: "Musik macht glücklich"

Die Kultursprecherin der FPÖ, Heidemarie Unterreiner, gibt zu bedenken, dass sie sich bisher vor allem mit Wiener Kulturpolitik beschäftigt habe und in der Kulturpolitik des Bundes "nicht wirklich auskennt". Sie wolle auch Morak gar nicht kritisieren: "Viele seiner Entscheidungen und Besetzungen hab ich sehr gut gefunden." Aber natürlich habe auch die FPÖ kulturpolitische Ziele.

Die wichtigsten laut Unterreiner:

  • Unsere Identität wahren, unsere Traditionen, Sitten und Gebräuche."
  • Dazu gehöre, dass man "gegen die Stückezertrümmerung" bei so großen Autoren wie Goethe oder Schiller sei. Wie sich diese Abneigung kulturpolitisch umsetzen lasse? "Man könnte es bei der Besetzung von Direktorenposten berücksichtigen."
  • Stichwort Schlingensief: Kulturpolitik dürfe nicht "für politische Agitation missbraucht" werden. Gerade die FPÖ habe da leidvolle Erfahrungen gemacht. Gleichzeitig solle die "völlige freie Entfaltung" der Künstler garantiert sein.
  • Die Förderung der deutschen Sprache: "Natascha Kampusch kann besser Deutsch als viele Kinder, die die Schule besuchen. Das muss einem doch zu denken geben."
  • Mehr Musikerziehung, denn: "Musik macht glücklich."

BZÖ: Für das Lesen und die Denkmäler

Das muss man ja im internationalen Kontext sehen. Wir haben ein blühendes Kunst- und Kulturleben, etwa im Gegensatz zu Deutschland, wo sie reihenweise die Theater zusperren müssen", sagt Helene Partik-Pablé. "Selbst in großen Sparzeiten ist es uns gelungen, neue Gelder zu lukrieren." Von der BZÖ-Kultursprecherin gibt es kein Wort der Kritik an der vom Koalitionspartner beherrschten Kulturpolitik. Verbesserungen wünscht sie sich im Kleinen.

Wichtigste Ziele:

  • Denkmalschutz: Er müsse bei Flächenwidmungen und Bebauungsplänen berücksichtigt werden. "Es kann nicht sein, dass ein altes, einstöckiges Haus unter Denkmalschutz zu Gunsten eines neuen hohen Hauses über Nacht abgerissen wird, wie neben der Klimtvilla passiert. Die Flächenwidmung darf da keinen Anreiz bieten."
  • Musikerziehung: "Das ist zwar Ländersache, aber besonders im großstädtischen Raum müsste sie mehr gefördert werden. Da muss auch der Bund aktiv werden."
  • Öffentliche Büchereien: "Es gibt keine Verpflichtung, sie zu errichten. Dabei hat gerade die Pisa-Studie gezeigt, wie wichtig die Leseförderung ist."
  • Eine "vollkommene soziale Absicherung" für Künstler.
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