Salzburger Nachrichten am 10. Mai 2006 - Bereich: Kultur
Der Standpunkt: Schweigen tötet jede Kunst

BERNHARD FLIEHER

W o pure Emotion Regie führt, verbrennt jedes Argument am Scheiterhaufen der Ignoranz. Dies ist einfach nachvollziehbar, wo Kunst ihre zugeteilten Räume verlässt und unters Volk gemischt wird, wie bei den Vorbereitungen zum Festival "Kontracom". Wo es kein Auskommen gibt, wo Konfrontation im Vorbeigehen stattfindet, blühen Inkompetenz und Demagogie.K unstschaffende und Kunstkonsumenten leiden unter der Inflation des Begriffs "Kunst". Vieles, was als Kunst verkauft wird, ist längst Showgehabe oder Marketing. Wie soll, wer nicht ein Höchstinteressierter ist, noch unterscheiden, was relevant und was nur Showgetue ist? Und wie soll jemand mit wenig Ahnung, aber Interesse Anhaltspunkte bekommen, wenn die schweigen, die den Unterschied argumentieren könnten?D er Takt wird von jenen geschlagen, die keine ästhetischen Argumente haben, die aber den Griff in die tiefste Schublade der Vernaderung nie scheuen. Selbstgerecht wird Brutalvokabular zitiert. Von Schande und Verhunzung wird geschrieben, vom Wegsperren oder Umbringen wird geredet.

Damit wird jeder demokratische Boden verlassen und jeder Diskussionsansatz mit Intoleranz erstickt. Das Geplärr ist in einer Welt, die Kunst als Unterhaltung und nicht als geistige Herausforderung betrachtet, naturgemäß dort unerträglich laut, wo die Neinschreier stehen. Deshalb ist das Schweigen jener bestürzend, die sich sonst gern als wichtige Fürsprecher zeitgenössischer Kunst gebärden. Die ergreifen aber selten das Wort, wenn es darum geht einer unsicheren Publikumsmasse zu erklären, warum ein solches Festival interessant, ja bedeutend sein könnte.D as ist die bittere Erkenntnis um die aktuellste Erregung in der Kunst- und Jubeljahrstadt Salzburg. Übertroffen wird diese Bitternis nur von der rüpelhaften, ahnungslosen Anpöbelungsrhetorik gegen die Projekte und ihre Schöpfer.