Die Toleranz der Putzfrauen
Von Claudia Aigner
Da hat einer genug Spiegel kaputt gemacht, um, was das Pech
anbelangt, für sein Leben ausgesorgt zu haben (gemäß der Gleichung: ein
zerbrochener Spiegel = sieben Jahre Pech). Schlauerweise hat er auch
"Pech-Antikörper" darunter gemischt, nämlich simple Glasscherben, die
eventuell alles wieder wettmachen, weil "normale" Scherben ja Glück
bringen. (Aber das soll ausrechnen, wer in der Aberglauben-Algebra besser
ist als ich.) Wahrscheinlich hatte Peter Hopkins aber ohnedies etwas
anderes im Sinn, als er dermaßen viele Scherben in der Galerie Insam
(Köllnerhofgasse 6) ausstreute, dass es dem berüchtigten
Experimental-Masochisten Chris Burden sicher ein Bedürfnis gewesen wäre,
nackt über den Boden zu robben. Schade, dass man Hopkins' rabiater
Geste mittlerweile "den Stecker rausgezogen" hat, sprich: den Ton (von
zerschellendem Glas) abgedreht hat, der den Besucher schon im Treppenhaus
empfangen hat. Der Scherbenhaufen trifft einen jetzt so unvorbereitet,
dass einem der Lapsus passieren kann, sich spontan zu denken: "Die haben
hier aber eine tolerante Putzfrau." (Später entdeckt man im
Scherben-Arrangement vielleicht doch noch die melancholische, poetische
Schönheit der Zerstörungswut.) Nebenan bringt Hopkins es zu Wege, eine
weiße Galeriewand wie ein Stück Stoff zu raffen (das Beste in der Schau).
Man könnte auch sagen, er hätte an der obersten Wandschicht wie an einem
überschüssigen Hautlappen gezogen und diesen dann kunstvoll drapiert. (Die
Falte an der Wand ist natürlich bloß weiß übertünchtes Wachs.) Die gelbe
Flüssigkeit in der Falte mag einem ja von Wuffis "Autogrammstunden" im
Schnee und an den Häuserwänden bekannt vorkommen, riecht aber bekömmlicher
(nach Parfum). Außerdem hätte ja bestenfalls der Hund der Bremer
Stadtmusikanten in dieser Höhe seine "Unterschrift" leisten können (wenn
der Esel ihm die Räuberleiter gemacht hätte). Kurz: Hopkins beschäftigt
die Sinne. Nicht zuletzt mit seinen "Malereien" aus Stofffleckerln und
Folie, die opulent und saftig wie Kirchenfenster sind. Und Sinnlichkeit
werde ich bestimmt niemandem vorwerfen. Zu sehen bis 10. Februar. Die
Bilder von Valentin Oman (bis 10. Februar in der Galerie Contact,
Singerstraße 17) scheinen die Eselsgeduld der Zeit (also mindestens ein
paar Jahrhunderte des Zerfressens und Verwitterns) gespeichert zu haben.
Freilich dürfte der Maler seinen meisterlich "erosionsgeschädigten"
Gemälden die Jahrhunderte im Zeitraffer beigebracht haben (auch wenn er
sich ein Bild auch nach zehn Jahren gern noch einmal "vornimmt"). Und
eigentlich wirken sie gar nicht wie Leinwandbilder. Eher wie Fresken, die
beinah zur Gänze von einem uralten Gemäuer heruntergebröselt sind. Ihrer
Ausstrahlung, die man schon religiös nennen muss, kann man sich praktisch
nicht entziehen. Dazu tragen die oft strengen Figuren (ziemlich abstrakte
Erinnerungen an das Menschenbild) nicht wenig bei. Besonders gelungen:
sein "Ecce homo". Ein geschundener Christus, der genauso gut die
Geißelsäule sein könnte und mit zarten Pinselschlägen ausgepeitscht worden
ist.
Erschienen am: 19.01.2001 |
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