Kunst und Krankheit

Die Kunsthalle Krems zeigt die bisher größte Johann-Hauser-
Retrospektive.
Von Rainer Elstner.


"Einer überzeugenderen Künstlerpersönlichkeit bin ich nie begegnet" schwärmte Leo Navratil, der Entdecker und ärztliche Betreuer von Johann Hauser, von seinem Patienten. Der Künstler, 1926 in Bratislava geboren, wurde 1943 in die Niederösterreichische Heil- und Pflegeanstalt Mauer-Öhling eingewiesen, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1996 lebte.

Die Kunsthalle Krems zeigt ab 25. Februar 250 Werke Hausers - die bisher umfangreichste Retrospektive, die ihm je gewidmet war.

Feuerwehr, 1971
Feuerwehr, 1971

Haus der Künstler

Johann Hauser war und ist einer der wichtigsten Künstler des im Jahr 1981 gegründeten "Hauses der Künstler" in Gugging. Leo Navratil setzte dort die Kunst in der Psychiatrie ein und initiierte das Modell der Gugginger Künstler, das weltweit Beachtung fand.

Navratil hatte erkannt, dass Menschen, die psychisch krank sind, im schöpferischen Bereich ein hohes Maß an Originalität und Einfallsreichtum an den Tag legen können.

Prägnanter Strich

Hauser war seinem Therapeuten und Mentor Navratil eng verbunden. Das erste datierbare Bild des unter extremen Stimmungsschwankungen leidenden Künstlers entstand 1959 auf Wunsch Navratils: eine Bleistiftzeichnung der Sonne. Typisches Kennzeichen der Bilder des Analphabeten Hauser schon damals: der übergroße Namens-Schriftzug.

Hauser verwendete von Anfang an Bleistift und Farbstifte. Mit klarem, prägnanten Strich begründete er seinen unverwechselbaren Stil. Hauser begann seine Arbeiten stets mit den Konturen und füllte die Flächen danach mit Farbstiften aus. Dies geschah mit großer Intensität, die Bilder erwecken oft den Eindruck von Malereien.

Unbekannte Radierungen

Was bisher kaum bekannt war: Hauser fertigte neben seinen bekannten großformatigen Blättern auch kolorierte Radierungen an, die bisher kaum zu sehen waren und in der Kremser Schau zugänglich gemacht werden.

Erstmals zu sehen waren Werke Hausers 1973: Navratil stellte damals in der Galerie nächst St. Stephan Werke von 13 künstlerisch begabten Patienten aus. Der Psychiater sprach von Hausers "symbolischer Gegenstandswelt", seine Frauenfiguren deutete er als "weibliche Liebesobjekte und Mutteridole".

Anerkennung als Therapie

Der Nachfolger Navratils in Gugging, Johann Feilacher, organisierte mit Hauser Ausstellungen in Europa und den USA. Feilacher, einst Asistent von Navratil, führt das Haus mit anderen Schwerpunkten als sein Vorgänger und wirkt hauptsächlich als Kunstmanager und Organisator.

Denn Feilacher ist im Gegensatz zu Navratil überzeugt, dass künstlerisch hochstehende Arbeit nicht nur in Phasen der Manie entsteht, sondern durch Motivation, Inspiration und Begegnung gefördert wird. Die Anerkennung durch die Außenwelt spielt dabei eine wesentliche Rolle.

Werküberblick

Im Sinne eines Werküberblicks zeigt die Kunsthalle bis 29. April die Entwicklung Hausers seit 1960, dem Beginn seiner künstlerischen Laufbahn. Im Zentrum der Schau stehen sämtliche großformatige Zeichnungen aus den 80er und 90er Jahren.

Zur Ausstellung erscheint zudem ein 250 Seiten starker Katalog. Die Schau wird anschließend in Lausanne gezeigt.

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