Heute,
Samstag, ist es so weit. Ab heute darf nicht nur der Bürgermeister, ein
bekanntlich rarer Fahrgast („Mit der U-Bahn fahre ich nur, wenn ich
nichts zu arbeiten habe“), sondern kann jeder mit der U2 sechs
brandneue Stationen weiter fahren. Wobei sich ein Aussteigen bei
„Donaumarina“ und „Donauspital“ eigentlich erst 2011 ästhetisch lohnt.
Dann nämlich sollen die Ergebnisse des Kunstwettbewerbs für die
Haltestellen realisiert werden.s
Die Idee, Wiens U-Bahn, ähnlich
wie die Stockholms, als Plattform für Kunst im öffentlichen Raum zu
nutzen, ist zwar nicht ganz neu, angesichts der geplanten Erweiterungen
aber ziemlich aktuell und daher auch Teil des neuen Programms der
Wiener „Kunst im öffentlichen Raum-GmbH“ (kurz: KÖR-GmbH). Bereits 2007
wurde der KÖR-Fonds in eine GmbH umgewandelt und unter der
Geschäftsführung von Gerald Matt und Bettina Leidl bei der Kunsthalle
angesiedelt. Das Geld kommt nach wie vor von den Abteilungen für
Stadtentwicklung, Wohnbau und Kultur, für die Auswahl der zu fördernden
Projekte und die Wettbewerbe ist eine fünfköpfige Jury zuständig. Die
aktuelle wurde soeben vom Kulturstadtrat bis 2013 bestellt. Es sind
dies: Letizia Ragaglia, Direktorin des Museion Bozen, Dirk Luckow,
Direktor der Deichtorhallen in Hamburg, der Architekt Gregor Eichinger
(er sitzt auch im Kunstbeirat der BIG, der
Bundesimmobiliengesellschaft), Berthold Ecker (MA 7) und als
Präsidentin die Kuratorin Lilli Hollein.
Zwar stehen die Jurytreffen
noch aus, aber einige (logische) Schwerpunkte schon fest. Etwa dass
Freiluftkunst in den neuen Stadtteilen eine Rolle spielen muss. Wobei
es nicht um die Menge an Projekten, sondern sinnvolle Platzierung gehe,
sagt Hollein. So sei, sagt Leidl, für die Verbindung Südtiroler
Platz/Hauptbahnhof ein Wettbewerb geplant. Und auch in Aspern seien
prominente Flächen „reserviert“. Allerdings können Planung und
Realisierung bei Großprojekten auseinanderklaffen: Für den neuen
WU-Campus sah die BIG ein Kunstprojekt vor. Inzwischen hat die
Abwicklung des Baus im Zeit- und Kostenrahmen Vorrang. Zumindest
zunächst.
Flakturm und Turnertempel
Tatsächlich ist die Kostenfrage eine, die auch Hollein in
Zukunft stellen möchte. Mit 800.000 Euro ist die GmbH im Vergleich zu
Niederösterreich (1,436 Mio.) eher überschaubar budgetiert. Auch wenn –
wie die Stadt betont – durch Kooperationen (etwa mit den Wiener Linien)
der reale Finanzrahmen höher sei. Trotzdem fürchtet Hollein, dass sich
die Jury öfter entscheiden muss: entweder eine permanente Installation
mit Signalwirkung oder lieber mehrere kleinere temporäre Projekt. In
der Bilanz der vergangenen drei Jahre stehen 17 permanente 66
befristeten Werken gegenüber.s
Wobei Letztere den Vorteil haben,
dass sie sich für „Themencalls“ eigenen, die man forcieren will. Dabei
handelt es sich um Kunst, die sich mit einer konkreten, aktuellen
Fragestellung – dem „Zeitgeist“ quasi – auseinandersetzt und die
Bevölkerung partizipativ einbinden kann. „Gerade Kunst im öffentlichen
Raum kann Denkanstöße bringen, weil sie mehr Menschen erreicht“, sagt
Hollein. Das heißt: insofern die Menschen die Kunst bemerken. In der
Vergangenheit, sagt Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny, seien
nämlich bisweilen Kunstwerke „vereinsamt und unreflektiert“
herumgestanden. Mit mehr Vermittlung und „Art Walk“-Broschüren für
Kunstspaziergänge will man das vermeiden.
Vor allem da die Kunst
im öffentlichen Raum beim Umgang mit den Spuren der Vergangenheit
helfen soll. „Bei der Betrachtung von Denkmälern oder
Straßennamen werden wir die Jury verstärkt einbeziehen“, so
Mailath-Pokorny. Im Herbst 2011 soll etwa die Installation Turnertempel
fertig werden. Das Projekt erinnert an die zerstörte Synagoge im 15.
Bezirk. Auch beim Flakturm im Esterházypark will man darauf achten,
dass der Schriftzug von Lawrence Wiener beim geplanten Umbau durch das
Haus des Meeres erhalten bleibt. Immerhin: Die bisherigen Entwürfe
sehen eine Integration vor.
Und sonst? Bleiben die Mühen der
Ebene: „Kunst im öffentlichen Raum – tatsächlich eine Gefahr?“, fragte
das Wiener Museum für Angewandte Kunst diese Woche. Der Anlass: eine
Teppich-Installation vor dem Museum wurde von der Magistratsabteilung
46 nicht genehmigt. Der unebene Untergrund gefährde die Sicherheit der
Fußgänger, und durch eine Umzäunung lässt sich das Risiko angeblich
nicht beheben. In der Regel, betont Leidl aber, klappe die Kooperation
mit den Behörden gut. Und auch mit den Bezirken (diese haben bei
temporären Projekten kein Veto) habe man kaum Probleme. Wobei,
zugegeben: Die Durchsetzung des Pinocchio-ähnlichen „Tagediebs“ von
Cosima von Bonin am Graben mitten in der City sei nicht einfach
gewesen, so Leidl diplomatisch. Trotzdem wird Kunst auch künftig am
Graben präsent sein: Denn wie der Morzinplatz und Teile des
Karlsplatzes sei dieser für Kunst im öffentlichen Raum gewidmet.