200 Künstler erforschen die Rolle der Geschlechter
ERNST P. STROBL Wien (SN). Die Schau ist kaum überschaubar, vier Ebenen des Museums Moderner Kunst (Mumok) in Wien sind gut gefüllt wie ein Gemischtwarenladen. Eigentlich ist es verständlich, denn wenn 25 Kuratoren Kunst aus 24 Ländern ausgesucht haben und nun das jahrelange Projekt „Gender Check“ zur Ausstellung gediehen ist, bekommt man mit dem Ergebnis von mehr als 400 Arbeiten von über 200 Künstlern (rund die Hälfte davon weiblich) wahrscheinlich „nur“ eine Auswahl zu Gesicht. Die hat es aber in sich, denn das Mumok bietet nichts weniger als einen Überblick über Kunst aus Osteuropa seit den 1960er-Jahren mit dem Brennpunkt „20 Jahre Mauerfall.“ Mumok-Direktor Edelbert Köb klang entschuldigend: „Das ist fast eine kleine documenta“, sagte er am Donnerstag bei der Presseführung. Ermöglicht hat die Monsterschau die Erste-Stiftung.
Die Geschlechterrolle in Osteuropa, was ist da anders als im Westen, auch wenn man sie mit den neuesten „Gender studies“ wissenschaftlich unterfüttert? Chefkuratorin Bojana Pejic hat versucht, mit Themenkomplexen und Motiven Ordnung in die Vielfalt zu bringen. Von den Stahlarbeiter-Heldenbildern und stolzen „Heroinen der Arbeit“ in Öl aus dem berüchtigten sozialistischen Realismus – mit wenig Unterschied zur faschistischen Kunst, auch bei kinderreichen Vorzeigefamilien – bis hin zu Fotografie, Skulptur, Installationen und neuen Medien, die recht unbekümmert, selbstbewusst und offenherzig eingesetzt werden, reicht die Spannbreite der Kunst aus den ehemals kommunistischen Ländern.
Der Mauerfall vor 20 Jahren ist zwar ein Wendepunkt, zeigte aber unterschiedliche Wirkungen. Eine merkwürdige Entwicklung ging damit einher. Die Massenarbeitslosigkeit traf Frauen, die Privatsphäre und neokonservative Rollenzwänge gewannen an Bedeutung. Die postkommunistische Gesellschaft entwickelte bedenkliche Nationalismen, die ethnischen Kriege in Jugoslawien färbten auf die Kunst ab. Bisher unterdrückte Homosexualität wurde zwangsläufig zum Thema, auch Sexarbeit oder „schräge“ Beziehungskonstellationen und Paarbildungen fanden ebenso den Weg in die Bilder wie andererseits der kritische Feminismus. Individualisierung und Liberalisierung erzeugten neue Ideale: Wer Marilyn Monroe auf einem Porträt entdeckt, sieht den russischen Künstler Vlasislav Mamyshev-Monroe in der Rolle der Westikone. Eine bedenkenswerte Schau (bis 14. Februar). www.mumok.at