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03.07.2003 18:41

Abstrakte Malerei, remixed
"All Tomorrow's Parties": Die US-Künstlerin Mary Heilmann zu Gast in der Wiener Secession - Foto

Wien - Abstrakte Malerei - ein tonnenschweres Erbe lastet auf den Schultern derer, die sie weitertreiben wollen. Sie verströmt (vorwiegend männliches) Pathos und Strenge. Wie eine luftig-virtuose Mozart-Oper zur Schwere eines Wagner nimmt sich das Werk Mary Heilmanns aus. Selten schafft es jemand, seine Gemälde gleichzeitig brandaktuell und antiquiert, banal wie sophisticated erscheinen zu lassen wie die an beiden Küsten der Staaten sozialisierte Künstlerin.

In der Secession zeigt die 1940 Geborene, wie Atmosphäre, Energie und Rhythmus aus purer Geometrie entstehen können. Und zwar mit 30 Bildern aus den 70ern bis heute. Die Gemälde der in der damaligen Hippie-Metropole San Francisco zunächst in Literatur, Keramik und Skulptur ausgebildeten Künstlerin schaffen es, die enorme Haupthalle der Secession auszufüllen - ohne Stellwände -, ohne leer zu wirken. Auch deshalb, weil sich immer wieder Architektur- und Raumbezüge ergeben, einmal wird sogar ein Holzboden samt Bild angedeutet.

Verstreut herumstehende, von Heilmann entworfene Sitzgelegenheiten auf Rollen, mit buntem Geflecht ähnlich wie auf den Bildern, lockern zusätzlich auf. Mit Größen wie Bruce Nauman oder Gordon Matta-Clark stand sie in Verbindung. Mary Heilmann blieb stets beim Medium Malerei, das zur damaligen Zeit alles andere als modern war.

Mit ihrer Nähe zu Pop Art, auch im Sinne von Low Art - ihre Raster, Gitter, Muster könnten von Verpackungsmaterial stammen, von Tischdecken oder Fifties-Küchen - und zur Popmusik reiht sie sich in die Tradition postmoderner Malerei. Auch mit Musiktiteln für Bilder: Sleeping With Common People (Pulp), All Tomorrow's Parties (Velvet Underground) oder, (zum Glück) nicht in der Ausstellung, Islands in the Stream, intoniert von Kenny Rogers und Dolly Parton. Ihren wirklichen Start Mitte der 80er-Jahre beschreibt Heilmann folgendermaßen: "Brian Eno und John Cale, Punk und Hardcore, New Wave, Bildtheorie, Strukturalismus, Poststrukturalismus und der französische Linguistikdiskurs der Dekonstruktion schwappen über mir zusammen."

Heilmann, in Wien vor zehn Jahren vertreten in Kasper Königs und Hans Ulrich Obrists Malerei-Festwochenausstellung Der zerbrochene Spiegel, beruft sich selber auf Appropriation-Kunst etwa von Louise Lawler, Peter Halley, John Armleder oder Philipp Taaffe.

Der persönliche Blickwinkel, der Heilmann immer wichtig ist, zum Verständnis der Bilder jedoch nicht wirklich relevant, offenbart sich auch im Katalog, mit einer mit Privatfotos gespickten Hommage an ihre beiden früh an Krebs verstorbenen Galeristen Pat Hearn und Colin de Land (American Fine Arts). (DER STANDARD, Printausgabe, 4.7.2003)


Von
Doris Krumpl

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secession.at

Bis 7. 9.

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