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Interview: Egon Schieles Pin-ups und Porträts

14.02.2011 | 18:32 | BARBARA PETSCH (Die Presse)

Die US-Galeristin Jane Kallir, deren Großvater den Markt für Schiele in den USA aufbaute, spricht über ihre Ausstellung im Belvedere und des Malers Verhältnis zu Frauen als ein Schwerpunkt dieser Austellung.

Die Presse: Was ist das Besondere an der Schiele-Porträt-Ausstellung, die ab diesem Donnerstag (17.Februar) im Wiener Belvedere zu sehen ist?

Jane Kallir: Ich war überrascht, dass es bisher nirgends eine Schiele-Porträt-Schau gab! Das Porträt ist sehr wichtig bei ihm. Wir bringen Leihgaben aus Ronald Lauders Neuer Galerie in New York und anderen US-Privatsammlungen, aus dem Metropolitan Museum oder aus dem Carnegie Museum in Pittsburgh nach Wien. Wir wollen eine unbekannte Seite des Künstlers zeigen.

 

Ein Schwerpunkt der Ausstellung ist Schieles heikles Verhältnis zu seiner Geliebten Wally und seiner Frau Edith. Wie lief das zwischen den beiden ab?

Die Tatsache, dass Männer in der damaligen Zeit erst mit 25 oder 30 Jahren heirateten, führte dazu, dass sich die Prostitution stark entwickelte, denken Sie an Schnitzlers Geschichten. Modellstehen war für die Bourgeoisie ähnlich wie Prostitution. Daher konnte Schiele, der aus bürgerlichem Milieu stammte, Wally, die ihn wirklich liebte, nicht heiraten. Als er sich mit Edith verband, wollte er zuerst beide Frauen behalten. Aber Edith machte ihm klar, dass daran nicht zu denken sei. Also traf er sich mit Wally in einem Café und schlug ihr vor, einmal im Jahr gemeinsam Ferien zu machen. Das lehnte sie ab. Später wurde sie im Ersten Weltkrieg Krankenschwester. Sie starb jung.

 

Wie war Schieles Ehe mit Edith?

Schiele war ein sehr fordernder Mann. Edith wusste nicht, was es bedeutete, einen Künstler zu heiraten. Außerdem brachte er sie extrem in Verlegenheit, in dem er erwartete, sie würde für ihn posieren. Es war für sie als bürgerliche Frau peinlich, als Pin-up für fremde Männer zu dienen. Ich arbeite gerade an einem Buch über Schieles Frauen, es wird im Winter 2012 beim Prestel Verlag erscheinen.

 

Ihr Großvater Otto Kallir (1894–1978) war ein bekannter Galerist in Wien. Er wurde von den Nationalsozialisten vertrieben. 1938 floh er aus Österreich, in New York gründete er die Galerie St.Etienne und baute den Markt für Expressionisten bzw. Schiele in Amerika auf. Wie kam er auf Schiele?

Mein Großvater diente in der k.u.k. Armee. Von einem befreundeten Journalisten wurde er auf Schiele aufmerksam gemacht. Er bestellte bei ihm ein Porträt von sich. Es sollte etwa 100 Kronen kosten. Der Vater meines Großvaters war Anwalt und sehr konservativ. Er sagte, es komme nicht infrage, Geld für ein Bild zu verschwenden. Nach dem Ersten Weltkrieg war Schiele tot. Mein Großvater blieb fest davon überzeugt, dass er ein großartiger Künstler war. Er gab 1930 den ersten Werkkatalog für Schiele-Ölgemälde heraus, der später auch Basis für Restitutionsfälle wurde.

Otto Kallir konnte bei seiner Flucht aus Wien seine Sammlung mitnehmen. Wie gelang ihm das?

Nach dem großen Interesse, das Schiele noch in den Zwanzigerjahren weckte, wurde mit der Wirtschaftskrise auch der Kunstgeschmack konservativer. Otto Kallir und andere Galeristen kauften wieder mehr 19.Jahrhundert. Das österreichische Ausfuhrverbotsgesetz galt nicht für Künstler, die weniger als 20 Jahre tot waren. Schiele, Klimt, Kokoschka interessierten die Nationalsozialisten nicht. Mein Großvater wusste genau, was passieren würde. Er traf am Tag nach dem Anschluss Vorbereitungen zur Flucht. Die Bilder des 19.Jahrhunderts musste er zurücklassen. Er nahm nur seine Moderne-Sammlung mit, also Teile davon. Die Galerie übergab er seiner Sekretärin Vita Künstler, die keine Jüdin war. Das war sozusagen eine freundliche Übernahme. Er ging zunächst in die Schweiz, dann nach Paris, schließlich nach New York.

Welche Gefühle hatte Otto Kallir gegenüber seiner Heimatstadt, aus der er vertrieben wurde?

Es war eine Hassliebe. Er glaubte zunächst fest daran, dass Österreich von den Nazis überrannt wurde und dass es den guten Österreicher gab. 1948 kam er nach Wien und stellte fest, dass viele Österreicher Nazis waren. Er hatte nicht Heldentum erwartet, aber Anstand. Stattdessen fand er Antisemitismus, Menschen, die sich bereichert hatten und Opportunisten. Es gab zwar wenige wirklich üble Leute, aber auch wenige Helden. Er verlangte nichts für sich, aber er kümmerte sich um Restitutionsfälle. Ich führe dieses Engagement von ihm fort.

Sie haben den Fall „Wally“ betreut. Schieles „Wally“ aus dem Leopold-Museum konnte nach einem langen Rechtsstreit 2010 nach Wien zurückkehren für eine Zahlung von 15 Millionen Euro. Ein guter Vergleich?

Der Preis, der bei dem jetzigen Vergleich bezahlt wurde – würde ich sagen –, ist der Marktpreis.

Sie gelten nach dem Tod des Sammlers Rudolf Leopold als wichtigste international anerkannte Schiele-Expertin. Ihr Verhältnis zu Leopold, hieß es, war sehr frostig. Haben Sie ihn gehasst?

Nein. Ich bin eine Frau, Männer lieben Kampf und Streit. Das liegt mir nicht. Ich habe mich zurückgezogen. Rudolf Leopold hatte ein sehr starkes Konkurrenzdenken. Er wollte der einzige, der wichtigste Schiele-Experte sein.

Es soll Rückgaben aus dem Leopold-Museum geben. Wie beurteilen Sie diese Fälle?

In dieser ganzen Restitutionsdebatte wird sehr schwarz-weiß argumentiert. Es gibt aber viele Grauzonen, Grauschattierungen. Soweit ich die Sachlage kenne, ist Schieles „Häuser am Meer“ aus der Sammlung Jenny Steiner, wie „Wally“, ein relativ klarer Fall von Diebstahl. Bei Mayländer oder Rieger ist die Sachlage weniger klar.


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