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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
11. April 2006
17:51 MESZ
Nachlese

Heiße Zensurdebatte um "gekreuzigte Frau"
 
Foto: ARGEkultur
Festgenagelt, aber anders als konzipiert, Abwinken als Erfolg: Performance durchlief schon in der Vorabdiskussion ihren Kreuzweg

Salzburg: Drohungen verhindern Kunstprozession
Veranstalter ARGEkultur blasen Dorota Nieznalskas Performance "ER-lösung" ab

Salzburg – Die Sicherheit von Akteuren und Zusehern könne "angesichts eines pöbelnden und drohenden Mobs von selbst ernannten Christen nicht mehr gewährleistet werden." Bei der geplanten Aktion am Karfreitag sei niemand "vor körperlichen Angriffen sicher".

So begründete Marcus Hank, künstlerischer Leiter der Salzburger Arge-Kultur, am Dienstag die Absage der für kommenden Karfreitag geplanten Kunstprozession "ER-lösung". Massive Morddrohungen gegen ihn und angekündigte "physische Gewalt" hätten letztlich zur Absage geführt, so Hank. Soweit die Absender der Drohungen bekannt seien, will die Arge-Kultur Anzeige erstatten.

Die geplante Kunstaktion mit der polnischen Künstlerin Dorota Nieznalska hat in den vergangenen Tagen in der sonst eher beschaulichen Mozartstadt Salzburg die Wogen hochgehen lassen. Die Veranstalter wollten in Form einer Prozession vom Stadtzentrum in den Stadteil Nonntal das Thema Opferung, "vom christlichen Bild des Opfertodes Jesus Christus hin zum säkularisierten Gebrauch/Missbrauch des Opferbegriffes", beleuchten. Beworben wurde die Performance mit dem Bild einer nackt "gekreuzigten" Frau.

"Ein voller Erfolg"

Gerade dieses Sujet hat die Gemüter erhitzt und zu einer Allianz von Kronen Zeitung, Katholischer Kirche, ÖVP und SPÖ geführt. Mäßigende Töne, wie etwa von der Evangelischen Superintendentin Luise Müller, verhallten weitgehend ungehört. Groteskes Detail: Ein eifernder Polizeibeamter hat Hank angezeigt und gleich in eigener Sache ermittelt.

Trotz der – nicht zuletzt mit einem von der SPÖ angedrohten Subventionsentzug für die Arge-Kultur – erzwungenen Absage sei die Aktion ein Erfolg gewesen, bilanziert Hank: "Die Performance hat bereits stattgefunden." Statt Dorota Nieznalska wären Erzbischof Alois Kothgasser, VP-Gemeinderatsklubchefin Claudia Schmidt, Bürgermeister Heinz Schaden (SP), das lokale Kleinformat und deren radikalisierten "Hilfstruppen" die Akteure gewesen. (neu/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.4.2006)


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