Hauptmenu . _
Hauptmenu
Hauptmenu Hauptmenu Hauptmenu
Hauptmenu .

Linkmap

.
. .

Quer durch Galerien

Weil Achselhaare Unkraut sind

Von Claudia Aigner
Als am 2. März 1933 ein legendärer Körperbehaarungsfilm (in der Hauptrolle: das riesige Affenfell King Kong) Premiere hatte, der der Menschheit noch dazu die Frohbotschaft brachte, dass es auf die Größe nicht ankommt (der blonden Gespielin des Megaaffen wäre ein kleinerer Gefährte ja lieber gewesen), da lief mathematisch orientierten Personen ein wohliger Schauer durch die linke Gehirnhälfte. Denn im Finale wurde ihnen ein physikalischer Klassiker geboten, wie ihn Hollywood in dieser Prägnanz nie mehr hingekriegt hat: der freie Fall.

Das österreichische Webverzeichnis! Wenn King Kong so vorbildlich vom Empire State Building stürzt, dass er sogar Sir Isaac Newton beeindruckt hätte, weil er sich genau an die Fallgesetze hält, dann fällt er ohne die dekorativen Schnörkel, die die Turmspringer machen und die vom Eigentlichen ablenken: Masse und Erdanziehungskraft. Und die Physiker damals im Publikum haben womöglich in ihren Köpfen ein schönes Weg-Zeit-Diagramm von King Kongs Sturzflug gezeichnet, während sie vor physikalischer Wollust vergingen.
Es gibt aber auch Sessel, deren Sitzfläche ist so niedrig, dass sich beim Hinsetzen der Hintern im freien Fall befindet (ab dem Zeitpunkt, wo die Hüftgelenke tiefer liegen als die Kniegelenke). So einem ergonomisch ungünstigen Sitzmöbel näherte ich mich unlängst, einer Sitzgelegenheit, die die Gesäße herunterpflückt wie die Schwerkraft Newtons Apfel und die nach dem Aufprall den Podex, der groggy ist wie Fallobst, total überlastet, weil er das komplette Körpergewicht tragen muss und ihn die Oberschenkel nicht unterstützen können. Die Zusammenkunft zwischen dem Sitz (fast schon ein "Niederflursitz") und mir war eine gleichmäßig beschleunigte Begegnung äh: Bewegung. Weil Sitzfleisch immer nach unten fällt, nie nach oben.

Galerie Martin Janda: Kunst ist eben unbrauchbar

Eigentlich ist es ja ein Zweisitzer. Fürs Synchronsitzen. Zwei (zugegebenermaßen extrem formschöne) Stühle aus Edelstahl, die quasi verheiratet, nämlich an einer Seite untrennbar miteinander verschmolzen sind. Aha. Der Werner Feiersinger (bis 19. März beim Martin Janda, Eschenbachgasse 11), der zwei Menschen gleichzeitig in eine unangenehme Lage bringen kann, indem er ihnen zwei unbequeme Sitzplätze anbietet, will wohl eine kritische Anmerkung zum Phänomen "Ehe" machen. Oder uns doch bloß zeigen, welche Macht unser Mobiliar über uns hat. (Dynamisches Sitzen, das die Rückenschmerzen mildern kann, ist übrigens nicht die Umschreibung für "Autofahren", sondern im Sinne des Erfinders gemeint: des Zappelphilipp.) Wie auch immer. In seinen Skulpturen kommt die Kunst den Gebrauchsgegenständen meist auf halbem Weg entgegen, soll heißen: Seine irritierenden Objekte erinnern oft an Brauchbares, emanzipieren sich aber von jeglicher Nützlichkeit.
Etwa sein "Ofen", der nie warm wird und genauso gut eine Biotonne sein könnte, die kein Gemüse isst, kurz: nicht zu öffnen ist. Also ein hermetischeres Objekt als der Doppelstuhl, der vergleichsweise "empfangend" ist. Oder sein schwarzes grafisches Ding, das wie eine Interpunktion im Raum steht. Am ehesten ein kreativ abgewandeltes Anführungszeichen. Aber wo ist dann das zweite? Um zum Beispiel nur im Bereich dazwischen die direkte Rede, das Plaudern zu gestatten.
Apropos Zeichen: Ein merkwürdiges hat Feiersinger auf dem Dach der Unité d'Habitation in Marseille gefunden, einer Wohnanlage von Le Corbusier (mit Wohneinheiten für Wohnspartaner, also effizient domizilierende Minimalisten), und hat es aus dem Gedächtnis nachgebaut. Sieht aus wie ein eigenwillig verzogener Mercedes-Stern. Und er hat mit seinem Fotoapparat beim Architekturguru des 20. Jahrhunderts auch eine weitere charismatisch mysteriöse Skulptur am Bau entdeckt: Ein Verhütungsmittel gegen den freien Fall. Klingt unanständig (wie ein "Stärkungsmittel" für den Mann), ist aber ein Gebilde wie ein pittoresker Ameisenbau, das als Hürde genau zwischen dem Hausbewohner und dem Weg zum Abgrund platziert ist.
Und bei Znaim hat sich dem Feiersinger eine anonyme Heu-Installation geradezu offenbart. Ein imposanter Heuhaufen. Fast ein Ayers Rock aus Heu. Die mir eigene Schadenfreude stellt sich da natürlich sofort eine Sisyphos-Feldarbeit vor: Kaum hat die Heugabel den letzten Halm abgeladen, kommt der Sturm usw. Sisyphos war ja der Extrembergsteiger, der beim Aufstieg immer einen Felsen mitgenommen hat, der dann kurz vor dem Ziel ins Tal zurückrollte. Sein Leben nach dem Tod pendelte halt dauernd zwischen Ehrgeiz (einen neuen Gipfel auf den Berg zu befördern) und Frustration.
Eine stimmige, durchkomponierte Ausstellung, die die Skulptur zwischen Mysterium und klarer Botschaft untersucht (das ist das, was man, glaub' ich, Abstraktion nennt). Oder sie einfach Skulptur sein lässt: Eine Form mit Oberflächenreizen.

Galerie Fichtegasse 1: Damenrasierer sind Realitätsflucht

Die aktuellen Superheldinnen: Ringen sie mit den patriarchalischen Ungeheuern im Haushalt? Machen sie mit dem lernäischen (also neunschläuchigen) Staubsauger kurzen Prozess? Schalten sie beherzt den Herd aus und kochen nicht mehr für ihre Männer? Oder machen sie gar Karriere? Nein. Sie rasieren sich einfach die Beine und Achseln nicht, verkneifen es sich, eine rasierschaumgeborene Venus zu sein. Weil Achselhaare kein Unkraut und Damenrasierer Realitätsflucht sind. Körperfett hingegen ist real.
Martha Novy zieht "schamlos ungeschönten" Frauen das Superheldinnentrikot an, die sogar ohne die zwei Superwaffen auskommen (das rechte und das linke Silikon), mit denen die optimierte Frau die Säuglinge auf den Big Mac vorbereitet, für den man bekanntlich den Unterkiefer aushängen muss, oder auf Ballsportarten prägt. Oder werden die Babys später alle Boxer? Wegen der Punchingbälle? Na ja. Kein sehr origineller Feminismus. Wenn die comicartigen Porträts wenigstens zeichnerisch nicht so schwach wären . . .
Der Lichtblick in der Galerie Fichtegasse 1 (bis 16. März) ist die Romy-Serie von Nina Maron, die ihren einstigen flegelhaften Stil veredelt hat und mit gezähmter Brutalität intensive Bilder malt, unter deren angenehmen Proportionen die Vitalität kocht.

Galerie Lindner: Ordnung ist das halbe Chaos

Man hat ja eh die Wahl: Entweder man richtet mit diesen Bildern an der Wand das totale Chaos an, zerfleddert sie so richtig, oder man räumt in ihnen auf wie ein Geometrielehrer. Denn bei Viktor Hulik (bis 18. März beim Lindner, Schmalzhofgasse 13) duellieren sich Spieltrieb und Ordnungssinn. Seine beweglichen Arbeiten bestehen aus mehreren Holzschichten, die um eine Schraube drehbar und auf präzise Weise wild zerschnitten sind. Nur in einer Position (wenn das "Puzzle" gelöst ist) ergibt sich die geometrisch abstrakte Harmonie. Ich jedenfalls konnte der Ordnung mit eingebautem Chaos nicht widerstehen.

Erschienen am: 11.03.2005

.

bullet Kunstsinnig

bullet Piet Mondrian ist bis 19. Juni in der Albertina zu sehen

bullet Quer durch Galerien

bullet Hundertwasser- Schau auf Schloss Böttstein im Schweizer Aargau abgesagt

bullet Leopold Museum: Karl Anton Fleck

bullet Theaterdonner

bullet Christos Riesenerfolg in New York

bullet Erich Lessings Fotoalbum 1945- 1960

bullet Quer durch Galerien

bullet Arnold Schönberg Center: Schönberg als Maler

.