Salzburger Nachrichten am 30. Oktober 2004 - Bereich: kultur
KONZERT
Gerhard Rühm "ich bin die falle der sprache", heißt es in einer der musikalischen
Laut- und Wortmalereien von Gerhard Rühm, dereinst eines der Enfants
terribles der "Wiener Gruppe". Sein berühmtes Glaubensbekenntnis, das auf
ein Kochrezept für Hirn mit Ei hinausläuft, provoziert schon lange nicht
mehr. Um so freier hat man Kopf und Ohren, um die Genialität hinter Rühms
Wort- und Sprachverdrehungen aufzuspüren. Sprechkonzert Donnerstag und Freitag stand Rühm im Mittelpunkt eines Symposions, und
Donnerstagabend war er zu Gast in einem Sprechkonzert in der Galerie
Altnöder, wo ihm bis 27. 11. auch eine Ausstellung gewidmet ist. Das nenn
ich Harmonie in der Ehe: Rühm hat das Wienerische drauf, und seine Frau,
die Musikwissenschafterin Monika Lichtenfeld, versteht sich aufs Kölsch.
Da prallt im "Schimpf-Duett" also das "Trutscherl" auf den "Plattkopp",
und ein Dialektforscher hätte seine Freude an dieser Kanonade der
Bosheiten. Ein "Zahlengedicht" neuesten Datums: Wie aufregend können Ziffernfolgen von Eins bis Elf
sein, hektisch, sich aufbäumend, davonlaufend - bis endlich die Zwölf und
damit das Ende des Gedichts erreicht ist. Das lebt von der Wiedergabe und
Rühm ist sein bester Interpret. Oftmals sind deutliche Botschaften
verpackt, wenn etwa in Lautgedichten für zwei Stimmen die eine
Zeitungsmeldungen rhythmisch skandierend aufsagt, wogegen Rühm selbst
seine Silbenkanonaden drauf loslässt. Rühm hat ein sensibles Ohr für das
Ungeheuerliche und das ganz normal Absurde im Dschungel der
Informationsgesellschaft. Und plötzlich ein Schuss Melancholie,
Abgeklärtheit (und sowieso immer eine Brise Lebensweisheit): "wie trist
für möbel, nachts von bäumen zu träumen." REINHARD KRIECHBAUM |