Die Fernminne per Telefon
Von Claudia Aigner
Was Sie schon immer über S. (also "Es",
diese gewisse Sache, Sie wissen schon: das eine da) wissen wollten, sich
aber nie zu fragen trauten, nämlich: Was hat denn eine stöhnende
Telefonnummer mit den Glaubenskriegen zu tun? Das weiß nur der Hrdlicka.
(Skulpturen und Zeichnungen von ihm sind bis 24. September beim Hilger zu
sehen, Dorotheergasse 5.) Ob die Damen, die am Telefon so freimütig über
ihr körperliches Befinden Auskunft geben, immer die Wahrheit stöhnen und
nichts als die Wahrheit, so wahr ihnen Sacher-Masoch, de Sade und die
Mutzenbacher helfen, das ist freilich tatsächlich eine Glaubensfrage.
Sprich: Wer's glaubt, wird selig. Diese Form der Fernminne (Prosaiker
sagen "Telefonsex" dazu) hat nun Alfred Hrdlicka seltsamerweise in seinem
Zyklus "Glaubenskriege" drinnen. Aber er war ja noch nie sehr orthodox.
Nicht zuletzt fallen Adam und Eva bei ihm ausgerechnet mit einer Banane in
die Sünde und ignorieren den Apfel völlig (immerhin die populärtheologisch
favorisierte Frucht der Erkenntnis). Das ist ja beinah so ketzerisch, als
bekleideten sie sich nach dem Sündenfall statt mit einem Feigenblatt mit
einer herausgerissenen Seite aus Darwins "Über die Entstehung der Arten".
Zurück zum Telefonsex: Zeichnungen voller obszönem Humor, wo die Männer
den "Amtssitz ihrer Männlichkeit" würgen, ich meine das Exekutivorgan
ihres Y-Chromosoms. Und das ist hier voller Tatendrang. Hinreißende
Potenzkarikaturen. Die Bronzen sind ebenfalls massiv kreatürlich. Das
gequälte Fleisch. In seiner unverblümten Fleischlichkeit besonders
beeindruckend: "Haarmann und eines seiner Opfer." Der notorische
Fressfeind appetitlicher Jünglinge (na gut, man hat ihm die kannibalischen
Essgewohnheiten nicht beweisen können, bloß, dass ihn ab und zu mit dem
Fleischermesser die Fleischeslust der Fleischhauer überkam), Haarmann also
absorbiert da seine "Nahrungsquelle" sinnigerweise gleich mit dem ganzen
Körper. Das Pathos von manch anderer Skulptur hat allerdings mitunter
schon etwas Peinliches. Nur Alpinbanausen fahren mit dem Sessellift.
Wer seinen Berg liebt, der schnauft. Hanns Otte lässt dabei die Kamera
mitlaufen. Bergsteigen in Echtzeit. Zermürbend authentisch. Im zweiten
Teil des heurigen Schwerpunkts "Dokumentation" geht es in der Fotogalerie
(Währinger Straße 59) um "Natur - Kultur". Die beiden rennen sich zum
Beispiel am Strand über den Weg. Eva Brunner-Szabo und Gert Tschögl sind
dabei, ein "Archiv des Meeres" anzulegen und sammeln diszi- pliniert
an zahlreichen Küsten unzivilisiertes und zivilisiertes Strandgut (ein
Stück Holz und einen "unnatürlichen" Seemannsknoten beispielsweise) und
nehmen Wasserproben. Ein reizvoller Balanceakt zwischen romantischem
Muschelsammeln und streng wissenschaftlicher Selbstbeherrschung. Bis 1.
Oktober. Bis 26. September beim Lindner (Schmalzhofgasse 13): die
Multiple-Box "ride on", die so überzeugend schlicht ist wie die Multiples,
die drin verstaut werden. Der Pfeil nach oben im himmelblauen Quadrat von
Eduard Tauss ist wohl nicht die Abkürzung für "Himmelfahrt"?
Erschienen am: 19.09.2003 |
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