Artikel von kurier.at:
2200 Kunstwerke dringend gesucht

Fahnder vermuten Artothek-Bilder auch in Privatwohnungen von Beamten und Politikern.
„Wir wissen, welche Bilder einmal da waren, aber oft nicht, wo sie hingekommen sind, und wer sie jetzt hat.“ Die Rede ist von 2200 Objekten der Artothek, viele von ihnen bereits vor Jahrzehnten ausgeliehen – und jetzt unauffindbar. Christian Pultar ist für jeden Hinweis dankbar. Mit ihm fahnden seit Anfang 2002 sechs Leute, teils in Teilzeit, in Ämtern nach verschollenen Werken, u. a. von Max Weiler, Maria Lassnig und Arnulf Rainer: „Weil in der Vergangenheit nichts geschehen ist, haben wir jetzt umso mehr Arbeit.“ Die Inventar-Kontrollen im Bundeskanzleramt mit allein 500 Kunstwerken, nach dem Krieg von der Republik angekauft, und im Außenministerium sind vorläufig abgeschlossen; Parlament, Innen- und Unterrichtsministerium „in Arbeit“. Bis zum Zwischenbericht an den Rechnungshof Ende September sollen 80 Prozent der Kontrollen erledigt sein. Wo suchen?

„Das grundsätzliche Problem“ für Kunststaatssekretar Franz Morak: „2200 Bilder der Artothek sind weg, weil Angaben über Leihnehmer und Standort fehlen. Also wo anfangen zu suchen?“ Oft sind die vorhandenen Daten so dürr oder mit „Landschaft“ so allgemein, dass sich etwa im Dorotheum nicht eruieren lässt, ob etwas jemals versteigert wurde.

Selbstbedienung

Kunst aus dem Artothek-Fundus behübscht Amtsräume im In- und Ausland. Von den Anfängen gibt es nur 7000 Karteikarten ohne nähere Hinweise. „Je später, umso besser sind die Dinge dokumentiert. Aber man hat sich nie Gedanken gemacht oder nachgefragt: Wo sind die älteren Werke hingekommen?“, sagt Pultar. „Leihgaben waren auch nicht auf fünf Jahre beschränkt wie jetzt usus.“ Pultar dachte, „zumindest bei Albertina, Museum für moderne Kunst und Österreichischer Galerie schnell fündig zu werden und dort auf Knopfdruck Listen entlehnter Bilder zu erhalten. Aber Irrtum: Mit der Inventarisierung unserer Museen steht es auch nicht zum Besten.“ Verschwunden sind seit den 60er-Jahren auch Bilder aus dem „Österreich-Haus“ im Palais Palffy. Niemand habe sie aus dem Konkurs ausgesondert. Ebenso verschollen: „Damenbildnis mit roter Kappe“ von Josef Dobrovsky. Nach dem Krieg hing es im Büro des 1993 verstorbenen Wiener Kulturstadtrates Viktor Matejka. „Das kann sich dann die Finanzprokuratur mit der Stadt Wien ausschnapsen“, sagt Pultar. „Ohne Konsequenzen kann das jedenfalls nicht bleiben“, sagt Morak. Also heißt der mühsame Amtsweg: Dokumentation, Sachverhaltsdarstellung, Schadenersatzklage . . . Politiker und Beamte kommen und gehen. Mit ihnen manches Souvenir. So vermuten die Inventarkontrollore, „dass einige vermisste Bilder in Privatwohnungen hängen“.

Autor: Werner Rosenberger


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