Zum Thema: Berlin
Biennale
In Berlin scheint man Sinn und Zweck
kultureller Mega-Events vor allem an der Zahl der Touristen und dem
Kaufkraftzuwachs zu bewerten – ob Love Parade oder Berlin Biennale.
Von der ersten Biennale – 1998 noch
parallel zur Kunstmesse art forum – bleibt vor allem das chaotische
Brodeln der Spaßgesellschaft zur Eröffnung in Erinnerung und die
Rutsche von Carsten Höller in den Kunst-Werken.
Diesmal verspricht Kuratorin Saskia Bos mit ihrem Motto
„Empathie“ einen anderen Ansatz. Wenn der Thailänder Surasi
Kusolwong während der Ausstellung Massagen anbietet, mag das
tatsächlich mit „Einfühlungsvermögen“ zu tun haben.
![](00051519-Dateien/rain-tan.jpg) Alles im Eimer:
Videostill „Rain“ von Biennale-Star Fiona Tan, 2001
Ob aber die Thai-Massage als kulturelle Praxis oder als
künstlerische Dienstleistung schon jene „kleinen realisierbaren
Utopien“ bewirken kann, die Bos mit ihrer Biennale bezweckt, scheint
fraglich.
In der Passage zwischen künstlerischer Beliebigkeit und
theoretischem Dogmatismus hat Bos den Weg der permanenten
Selbstrelativierung gewählt. Einerseits soll ihre Schau die
Selbstreflexivität und institutionelle Kritik am Kunstsystem
anschaulich machen (mit Künstlern wie Dan Petermann oder Liam
Gillick), andererseits soll gerade die jüngste Künstlergeneration
mit Humor und „in einer Art lockerer Unterhaltsamkeit“ Distanz zum
Kunstbetrieb beweisen.
Einerseits hat Bos im Publikum sozusagen „den Menschen an sich“
ausgemacht, der in „Eins-zu-eins-Beziehungen“ anzusprechen sei,
andererseits zeigt sie auch Künstler wie die dänische Gruppe
Superflex, die die Medien benutzen, um politisch zu agieren. Bei 50
Künstlern aus 31 Ländern ist nun für alle und jeden etwas dabei.
Die Kunst dieser Biennale scheint vor allem darin zu liegen, das
von Bos so verteufelte „anything goes“ ihrer Auswahl möglichst
geschickt als Konzept auszugeben. Mehr als ein Wort braucht es dazu
offenbar nicht.
Entweder „ihre“ Künstler sind für Empathie oder dagegen: So ist
letztlich jeder dabei und eigentlich alles egal. So werden über den
Erfolg der Biennale wahrscheinlich doch wieder nur die Zahlen
entscheiden: Wie viele Besucher, wie viele Zeitungsspalten und
Sendeminuten? Und vielleicht ist Bos damit sogar geholfen, denn die
kleinen Erfolge (oder Missverständnisse) beim „Du zu Du“ zwischen
Kunst und Mensch lassen sich ohnehin nur schwer nachweisen.
Ronald Berg
- Ausstellungszeitraum: 20·4 bis 20·6
- Ausstellungsorte:
- Kunst-Werke, Augusstr. 69
- ehemaliges Postfuhramt, Tucholskystraße Ecke Oranienburger
Straße
- S-Bahnbögen an der Jannowitz Brücke
- Treptowers des Sponsors Allianz an der Spree.
- Öffnungszeiten: Di - Do 12 - 20 Uhr, Fr u. Sa 12 - 22 Uhr, So
12 - 18 Uhr
- Interview
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zum Ausstellungsort Kunst-Werke
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