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derStandard.at | derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
01. November 2008
17:00 MEZ

(*) Die Vitrine der Secession befindet sich in der Westpassage der U-Bahn-Unterfühung Karlsplatz, Aufgang bei McDonalds.

Links

www.secession.at
www.sasosedlacek.com

 

Sašo Sedlačecs Ö-U Immobilien (19.09. – 09.11.2008) - Kunst als Randnotiz zur Gesellschaft im semi-öffentlichen Raum einer Kunstinstitution.

 

 

 


Zbyněk Baladráns Diagramm Glossary (29.11.2007 - 13.04.2008), erster Teil der Ausstellungsserie Footnotes in der Westpassage der Unterführung Karlsplatz.

 

 

 


Miklós Erhardts Fußnoten zum nackten Leben (26.04. – 04.09.2008), alle Habseligkeiten des Künstlers in Schachteln - zweiter Teil von Footnotes.

 

 

 


Post-koloniales Finanzgebaren
In der Vitrine der Secession (Karlsplatz) verkauft der Slowene Sašo Sedlačec Immobilien aus Österreich-Ungarn - Kunst im semiöffentlichen Raum eines Schaufensters

Krisenzeiten, überall! Innerhalb nur eines Monats stiegen die Preise von 0,1% des ursprünglichen Wertes auf 1% - eine saftige Inflationsrate. Die Rede ist nicht von Finanzspekulationen, die gerade die gewohnte kapitalistische Ordnung ins Wanken bringen. Es geht um den Kaufpreis der Installation Ö-U Immobilien des Slowenischen Künstlers Sašo Sedlačec. Er bezieht sich damit auf konkrete Immobilienangebote aus dem Großraum der ehemaligen Österreichisch-Ungarischen Monarchie - zu sehen und zu erstehen sind seine Arbeiten in der Vitrine (*) der Secession.

Territoriale Neuordnung

Nein, die Secession mutiert nicht gerade zu einer weiteren der zahlreichen kommerziellen Galerien in Wien und will sich - neben öffentlichen Förderungen und Sponsoring durch Großbanken - auch nicht durch zusätzliche Einnahmequellen finanzieren. Die Vitrine in der Unterführung am Karlsplatz dient Sašo Sedlačec für konzeptuelle Überlegungen, die eben diese inflationär bedingten Verkaufs­strategien einschließen. Seit Mitte September wurden die Preise für seine "Immobilien-Kunst" einfach von 300 auf rund 3000 Euro angehoben, ohne weitere Begründung - so ist das eben. Es sind in erster Linie Überlegungen zum Finanz­gebaren West-Europas, die Sedlačec anstellt, es sind aber auch Überlegungen zu neuen territorialen Konflikten, dem Immobilien­markt und nicht zuletzt zur Rolle von Kunst­institutionen in diesem Kreislauf.

Ö-U Immobilien besteht aus Immobilien­anzeigen, die mittels einfachem Photoshop-Filter bearbeiteten und verfremdet wurden. Es sind Inserate von mehr oder weniger schönen Wohnungen aus den Zentren des ehemaligen Groß­reichs: Wien und davon ausgehend Städte wie Laibach, Triest, Hermannstadt und Krakau. Die von Immobilien-Händlern bekannte Do-it-Yourself- Ästhetik wird in der Vitrine nachgeahmt: Werbe­utensilien und Schriftzüge mit dem Titel "Ausverkauf" sowie eine Klebefolie, die der Installation die Form eines Hauses gibt, paaren sich mit den biederen Holzrahmen, in denen die "impressionistischen Alltags­malereien" präsentiert werden. Das Resultat: der leicht schmutzige Charme bekannter Verkaufs­strategien von Maklerbüros. "Wahrscheinlich", so der Künstler, der vergangenen Herbst auch bei der Ausstellung Ecology of Techno Mind im Linzer Lentos mit einer Arbeit vertreten war, "bezieht sich jede europäische Nation in ihrer Erinnerung auf ein Gebiet, das in der Vergangenheit bisweilen weit über die gegenwärtigen Grenzen hinausreichte."

Strategische Subversion

Sedlačecs Arbeiten bedienen sich häufig subversiver Recyclingverfahren: Er erschließt scheinbar nutzlose, ungenutze oder unbenutzbare Räume und umgeht jene Restriktionen, die mit diesen Nicht-Orten verbunden sind. So wird etwa eine Müllhalde wie im Fall von Picnic on a dump (2004) als Ausflugsziel belebt oder ein Einkaufszentrum mit dem Roboter Beggar 0.0 (2006) beschickt, um sich dem dort geltenden Bettelverbot zu widersetzen. Neben Lost territories (2008), eine Arbeit, die zuletzt in der Mala galerija - dem ambitionierten Raum des Museums für Moderne Kunst in Laibach - gezeigt wurde, wendet er sich in Ö-U Immobilien mit Recherchearbeit der Visualisierung geschichtsträchtiger sowie ambivalenter Kulturbeziehungen in Zentraleuropa zu.

Sedlačec spricht dabei aber nicht nur neue Territorialfragen an, die sich durch ökonomisch motivierte Geldflüsse stellen. Er reflektiert auch die Arbeitsbedingungen von KünstlerInnen, die sich mit ihrem Schaffen zwischen den heren Idealen von Kunstinstutionen und der Vereinnahmung durch im Hintergrund agierende Sponsoren wie etwa Banken oder Versicherungsunternehmen befinden. Die Behübschung des post-kolonialen Finanzgebarens dieser Unternehmen über den Umweg eines von finanzieller Unterstützung abhängigen Kunstbetriebs steht dabei im Vordergrund.

Randnotizen des Alltags

Sašo Sedlačecs Arbeit für die Vitrine der Secession ist das dritte und letzte Projekt in einer Reihe mit dem Titel Footnotes, das von der ungarisch-stämmigen Kuratorin Hajnalka Somogyi kuratiert wurde. Nach Zbyněk Baladráns Diagramm Glossary und Miklós Erhardts Fußnoten zum nackten Leben reiht sich die Installation Ö-U Immobilien in ein Konzept ein, das Parallelen zwischen der kommentierenden Funktion von Fußnoten und den kontextbezogenen Reflexionen zeitgenössischer Kunst zieht.

Mit dem Bespielen dieser Vitrine unter dem Karlsplatz öffnet die Secession die geschichtsträchtigen Tore ihrer Institution und positioniert Kunst, dort wo sie hingehört: Im Alltag des Vorbeigehens und somit in ihrem gesellschaftlichen Zusammenhang. Das Benutzen von Schaufenstern als Ausstellungsfläche ist zwar kein sonderlich neues Konzept, dennoch darf man hoffen, dass das Programm - vielleicht erweitert um kunstvermittlerische Tätigkeiten - im kommenden Jahr fortgeführt wird. Dann könnten Verkaufskonzepte wie jene von Sašo Sedlačec sogar aufgehen. (fair, derStandard.at, 03.11.2008)

Noch bis 9. November: Ausverkauf!

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