Wiener Zeitung · Archiv


Kunstberichte

Galerien live

Knödel auf den Augen?

Aufzählung (cai) Mein erster Impuls war ja, diskret die Flucht zu ergreifen. ("Na seavas, wos soll denn des sein? A Witz? Wenns wenigstens a ordentliche Schmiererei wär’.") Ich bin übrigens eine, die ihren inneren Banausen nicht wegleugnet, sondern innig umarmt. Obwohl: Wer bestimmt denn, was Banausentum ist? Die Künstler sicher nicht. (Das wär’ ja noch schöner.)

Aber letztlich hat doch die Neugier gesiegt, ergründen zu wollen, warum jemand offenbar der Meinung ist, dass diese Bilder unbedingt gemalt werden müssen. Irgendwann fiel es mir dann wie Riesengermknödel von den Augen und der Ekel schlug plötzlich in so etwas wie Bewunderung um. Was so billig und wurschtig wirkt, ist nämlich insgeheim ein ziemlich raffinierter Naturalismus. Wenn abstrakte Kunstwerke eine frappante Ähnlichkeit mit Erbrochenem haben, ist das meist reiner Zufall, beim Stefan Sandner ist alles volle Absicht. Nein, er malt eh keine unappetitlichen posthumen Stillleben. Er findet irgendwelche Kritzeleien oder Zetterln mit Notizen oder reißt eine Seite aus dem Gästebuch und überträgt sie penibel auf eine Leinwand, die ein fast heroisches Format hat.

Einmal hat er seinen tropfnassen Pinsel abgestreift und diese willkürliche Geste nachher auf sechs Quadratmeter aufgeblasen. Sich auf eine Weise den Mund abzuwischen, dass Gutachter schwören würden, die Serviette hätte der Hermann Nitsch benutzt, diesen Ehrgeiz hat der Sandner vermutlich nicht. Humor hat er aber trotzdem. Na ja, wer einfach auf der Einladungskarte von einer früheren Ausstellung die alten Daten brutal durchstreicht und ausbessert und uns das dann mitsamt den handschriftlichen Korrekturen als " neue Einladungskarte" vorsetzt, der muss ein Komiker sein.

Galerie Grita Insam
(An der Hülben 3)
Stefan Sandner
Bis 6. März
Di. – Fr.: 12 – 18 Uhr
Sa.: 11 – 16 Uhr

Hurra, die Sackerln leben!

Aufzählung (cai)Was haben Menschen und Plastiksackerln gemeinsam? Bei beiden kommt es angeblich bloß auf die inneren Werte an (aufs Cholesterin zum Beispiel beziehungsweise auf das, was man eingekauft hat). Die Sackerln, die Sabine Christmann mit altmeisterlicher Präzision malt, ach was: die sie porträtiert (so einfühlsam, dass man sie regelrecht rascheln hört), die sind freilich völlig leer und haben dennoch viel Persönlichkeit. Sind schüchterne Mauerblümchen oder kontaktfreudig. (Und pittoresk wie das Gesicht von Rembrandts Mutter.) Christmann reiht sie auf wie Goya die Familie Karls IV. und überzeugt sogar mich davon, dass Sackerln auch nur Menschen sind. Oder sind das alles Selbstporträts der Künstlerin? Dann wäre sie also eine Kunstliebhaberin, die gern in Museen und deren Shops geht, einen Garten hat (wofür bräuchte sie sonst die Vergissmeinnicht- und Kressesamen?), und sie hätte frischen Atem (weil sie das Packerl mit den scharfen Zuckerln wohl nicht nur anschaut).

Galerie Frey
(Gluckgasse 3)
Sabine Christmann
Bis 16. März
Mo. – Fr.: 11 – 19 Uhr
Sa.: 10 – 16 Uhr

Kein Hippodil vom Nil

Aufzählung (cai)Wo, bitte, liegt der Weltfrieden? Auf Bali natürlich. Das legen zumindest die exotischen Bilder vom Robert Zeppel-Sperl nahe, der dort ein Atelier gehabt hat und ein weltflüchtiges Paradies erschaffen hat, bevölkert von freundlichen Drachen und mehrdeutigen Viechern. Ist das da ein Hippodil (ein Krokopotamus)? Sogar mehr Fantasie hat er gehabt als die k. u. k. Monarchie ( sein Adler hat nämlich drei Köpfe). Schön zu sehen (in der Galerie Gerersdorfer), dass sein Werk also doch nicht nur aus naiver Erotik besteht (oder aus "Erosarotik", weil die Haut seiner Damen punschkrapferlfarben ist), sondern dass er auch einen hübschen Zoo angelegt hat. Ja, die kitschig optimistischen Farben und das ungenierte Fabulieren haben ihren Charme. Die geradezu infantile Unschuld ist mir trotzdem ein bissl peinlich.

Galerie Gerersdorfer
(Währinger Straße 12)
Robert Zeppel-Sperl
Bis 6. März
Do., Fr., Sa.: 11 – 20 Uhr

Printausgabe vom Mittwoch, 17. Februar 2010
Online seit: Dienstag, 16. Februar 2010 17:02:00

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