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26.06.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung
Kunstraum
Galerie König: Kaltes Herz, Galerie Krobath: Domino

Galerie König: Kaltes Herz

Wollte man - oberflächlich betrachtet - nach einem amerikanischen Joseph Beuys suchen, so könnte die Wahl auf den 1940 geborenen Jimmie Durham fallen. Der Künstler indianischer Abstammung zeichnet sich durch eine ähnliche Kombination von politischem Engagement und Material-obsession aus. Im Gegensatz zu Beuys hat Durham aber nicht nur die kapitalistische Gesellschaft, sondern auch den exklusiven Kunstbetrieb wiederholt kritisiert. Von dieser Seite ist in der Wiener Ausstellung des Cherokee-Aktivisten vorderhand nichts zu bemerken. Ein Anflug von Altersmilde? Die Schau heißt "Glas", der Werkstoff steht auch im Mittelpunkt der Skulpturen. Da wäre etwa ein alter Radio, angefüllt mit Glasnippes (25.000 €). Ähnlich verschroben-rätselhaft die Miniaturlandschaft, die der Künstler mit einem Glassturz schützt (25.000 €). Zusammen mit einer Neonröhre mahnt dieses Arrangement an die Arte Povera. Zwei Glasröhren legt Durham auf hölzerne Halterungen. In einer davon glitzern gelbe Kristalle, die andere ist mit Quecksilber gefüllt. In einem begleitenden Text verweist der Künstler auf die physikalische Flüssigkeit von Glas; dass er dabei aber auch noch auf gesellschaftliche Aggregatzustände dieses Stoffs kommt, etwa verdunkelte Limousinenfenster oder berstende Glasfassaden, versteht sich von selbst. (Bis 1. Juli, Schleifmühlgasse 1a, Wien 1)

Galerie Krobath: Domino

Der flotte Ausstellungstitel "black/
white & chewing gum" täuscht nicht: Der Berliner Künstler Gerold Miller hat hier eine feine Kollektion an Arbeiten ausgewählt, die die Formensprache von Minimalismus und Konzeptkunst favorisieren. An diesen Kunstströmungen "kleben" bis heute viele Zeitgenossen, auch wenn sie sich außer einer Vorliebe für Schwarzweiß von den mit diesen Bewegungen verbundenen Ansprüchen gelöst haben. Die Schau fungiert ein bisschen als Vademecum historischer Ideen. Wenn etwa Saadane Afif in Streifen bemalte Holzstäbe von der Decke hängt, bezieht sich "Stalactite" zweifelsohne auf die "Barres de Bois", die Andre Cadere in den 70ern wie einen Hirtenstab verwendete. Hatten diese portablen Kunstwerke damals noch performative Dimension, tragen sie nun als Wandarbeit einen langen Bart. Isabell Heimerdinger lässt in zwei Videos denselben Mann abwechselnd lachen und weinen - er rührt dabei aber nicht wie sein Vorbild Bas Jan Ader 1971. Miller selbst zeigt zwei rahmenartige Lackobjekte - und wo er ausstellt, dürfen auch John Armleder und Gerwald Rockenschaub nicht fehlen. Mit Wahrnehmungsverzerrungen à la "Op Art" arbeitet Philipe Decrauzet, ein ähnliches Bild von John Tremblay fängt den Blick in einem Loop. Die auf Leinwand gedruckte Straßenszene Kelley Walkers, die einen weißen Geschäftsmann in Konfrontation mit einem Schwarzen zeigt, fällt ob seiner expressiven Striche aus dem coolen Rahmen. Beim Nähertreten ist die Schokolade zu riechen, mit der hier gemalt wurde. (Bis 29. 7., Eschenbachg. 9, Wien 1) Nicole Scheyerer

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