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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
13. Juli 2005
18:39 MESZ
Von Thomas Trenkler 
Foto: Mark Segal
Übernimmt mit Herbst die Modeklasse von Raf Simons: die belgische Designerin Veronique Branquinho, Jahrgang 1973. Sie nahm u.a. an der Documenta 11 teil.

Mehr Design, weniger Malerei
Radikal-logischer Entwicklungsplan für die Angewandte: Rektor Bast holt die Designer Veronique Branquinho und Ross Lovegrove

Rektor Gerald Bast holt die bekannten Designer Veronique Branquinho und Ross Lovegrove an die Angewandte. Sein radikal-logischer Entwicklungsplan wurde einstimmig vom Universitätsrat und auch vom Senat beschlossen.


Wien – Die Autonomie, in die auch die Kunstuniversitäten entlassen wurden, verlangt Entwicklungspläne. Denn die Höhe der Finanzierung durch die öffentliche Hand hängt von einer Leistungsvereinbarung ab, die mit dem Bildungsministerium als Geldgeber abgeschlossen werden muss.

Bereits Anfang März hat Stephan Schmidt-Wulffen, Rektor der Akademie der bildenden Künste, seinen Plan vorgelegt: Er will das Studienfach Textiles Gestalten auslaufen lassen, da dieses auch an der Angewandten angeboten wird, wo die "Webkunst" eindeutig besser aufgehoben ist. Zudem er scheint es sinnvoll, wenn sich die bei den Wiener Universitäten stärker voneinander abgrenzen.

Schmidt-Wulffens Plan, gegen das Votum vieler Professoren durchgeboxt, sorgte für Entrüstung: Der hausintern besetzte Senat beschloss mit Zweidrittelmehrheit einen Antrag auf Abberufung des Rektors. Am Donnerstag muss sich der Schmidt-Wulffen-treue Universitätsrat mit der Causa beschäftigen: Wenn auch er dem Antrag zustimmen sollte, sind die Tage des reformwilligen Rektors gezählt.

Derartige Probleme hat sein Gegenspieler Gerald Bast, Rektor der Angewandten, nicht: Nach intensiver Überzeugungsarbeit stimmten sowohl der Universitätsrat als auch der Senat unlängst einstimmig dem Entwicklungs plan für die Jahre 2005 bis 2009 zu, obwohl dieser noch weit gravierendere Veränderungen vorsieht als jener der Akademie. Denn Bast lässt zum Beispiel den Studienzweig Keramik auslaufen: Künftig soll es als Ersatz ein Keramikstudio geben, das für alle Studienrichtungen zugänglich ist. Bast begründet den Schritt dahingehend, dass es kaum Markt für Keramikkunst gebe. Zudem habe sich die Produktion stark gewandelt: Der Künstler arbeitet heute mit diversen Medien.

Um dem Zug der Zeit Rechnung zu tragen, wird die Bildende Kunst mit der Medienkunst zu einem großen Institut fusioniert: Johanna Kandl leitet ab Herbst, wie berichtet, die neue Malerei-Klasse, die aus der Zusammenlegung der beiden ehemaligen Klassen von Wolfgang Herzig und Adolf Frohner entsteht. Die Bildhauerei soll nach der Pensionierung Gerda Fassls 2006 von Erwin Wurm um mediale Aspekte erweitert werden, die bisherige Kommunikationstheorie wird zur Medientheorie (die Professur will Bast im Herbst ausschreiben), und 2007 kommt die Angewandte Mediengestaltung neu hinzu.

Das Institut Design wird von der Struktur her nicht verändert. Aus Gründen der Profilierung und aufgrund der hohen Nachfrage aber soll 2007 eine zweite Klasse für Grafik design (mit Schwerpunkt digitales Design) eingerichtet werden. Auch die Neubesetzungen sind mittlerweile entschieden: Die Klasse Industrial Design 2 wird ab dem Herbst vom britischen Designer Ross Lovegrove geleitet, die Modeklasse von der belgischen De signerin Veronique Branquinho. Beide wurden von den jeweiligen Bestellungskommis sionen auf Platz eins gereiht; Bast führt gegenwärtig die kurz vor dem Abschluss stehenden Verhandlungen.

Das Institut Kunstwissenschaften, Kunstpädagogik und Kunstvermittlung soll ab 2006 um das neu kreierte Studium Angewandte Bildwissenschaften ergänzt werden. Es sei ein praxisorientiertes Gegenmodell zum Kunstgeschichtestudium und wendet sich an Studenten, die als Kuratoren, Kustoden oder Kunstjournalisten arbeiten wollen.

Multimedia Studio

Zu einem neuen Institut Kunst und Technologie zusammengefasst werden alle jene Abteilungen, die studienrichtungsübergreifend agieren (u. a. Druckgrafik, Aktzeichnen, Geometrie, Holz- und Metalltechnologie). Teil dieses Instituts wird auch das Keramikstudio sein. Zusätzlich will Bast ein Multimedia sowie ein Digital Prototyping Studio einrichten.

Und zu einem Zentrum aufgewertet wird schließlich die von Christian Reder geleitete Abteilung Kunst- und Wissenstransfer, die bisher Teil des Instituts für Medienkunst war: Initiiert und gefördert werden sollen interdisziplinäre oder -kulturelle Projekte.

Bast hofft weiter, dass es zu einem Neubau für die gegenwärtig auf sieben Standorte verteilte Angewandte auf der Donauplatte kommt. Das historische Gebäude am Ring würde er als Ausstellungs- und Atelierhaus weiterbetreiben wollen. Auch ein Designzentrum als international ausgerichtete Schnittstelle zwischen Kunst, Forschung und Wirtschaft soll untergebracht werden: "Es ist eine Schande, dass es eine solche Institution nicht gibt bei uns!"
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.7.2005)


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