Das Wien Museum zeigt 20 Jahre nach ihrem Tod
eine Werkschau der Fotografin Trude Fleischmann
Zwei Welten, eine Leidenschaft
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Mit Aktstudien, wie jener von 1925, wurde Trude Fleischmann bekannt.
Foto: Wien Museum
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Von Simon Rosner
![Aufzählung Aufzählung](00091964-Dateien/wzfeld.gif)
Chronistin
der Wiener Bohème.
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Zweite
Karriere im New Yorker Exil.
Die Ebendorferstraße in Wien, gleich
beim Rathaus, Nummer drei. Mögen die Zwanziger Jahre in Wien vielleicht
nicht so golden geglänzt haben wie anderswo, doch ein wenig glitzerte
es schon in dieser Stadt mit ihren Varietés, Theatern und
Konzerthäusern. Und eben auch in der Ebendorferstraße, Nummer drei.
Hier hatte die Fotografin Trude Fleischmann 1920 im Alter von 25
Jahren ein Atelier eröffnet. Sie war Teil einer neuen, vom
wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung beseelten Generation; wie
Fleischmann wagte damals eine Reihe junger Frauen den Schritt in
grafische Berufe, die bis dahin fast nur Männern vorbehalten waren.
Bei einem der renommiertesten Fotografen, Hermann Schieberth, hatte
Fleischmann ein kurzes Praktikum absolviert. Und dort entstand 1918 auch
ihr erstes bekanntes Foto, als eines Tages Adolf Loos und Peter
Altenberg gemeinsam ins Atelier spazierten, um sich von Schieberth
ablichten zu lassen, dieser aber gerade außer Haus war.
"Die beiden fanden das Foto sehr gut. Das hat ihr sicher
Selbstvertrauen gegeben und ihr einige Türen geöffnet", sagt die Autorin
Heike Herrberg, die sich seit Jahren intensiv mit Trude Fleischmann
beschäftigt.
Fleischmanns zwei Jahre später eröffnetes Atelier wurde binnen kurzer
Zeit zu einem Treffpunkt für Wiens Künstlerszene, deren Protagonisten
sie porträtierte. Und zwar anders. "Das ging schon in Richtung der Neuen
Sachlichkeit. Sie hat ihre Modelle zwar posieren lassen, aber nicht
allzu sehr inszeniert", sagt Herrberg.
Die Aktstudien der Tänzerin Claire Bauroff machten Fleischmann auch
international bekannt, zumal Fotos von ihr im Vorfeld eines Auftritts
Bauroffs in Berlin beschlagnahmt worden waren. "Sie war nicht die Erste,
die Nacktaufnahmen machte. Aber sie hat einen bestimmten Typus von
Frauen dargestellt, athletische, muskulöse. Das war schon ungewöhnlich."
Trude Fleischmann war einerseits Chronistin, andererseits aber auch
selbst Teil des kulturellen Lebens im Wien der Zwanziger Jahre. Ihre
Atelierfeste seien legendär gewesen, erzählt Barbara Loss, eine Cousine
Fleischmanns. "Das waren sehr elegante Anlässe. Sogar der Herzog von
Windsor soll einmal gekommen sein."
Flucht vor den Nazis
Doch es war eine kurze Zeit der Unbeschwertheit. Zuerst die
Wirtschaftskrise, dann die politischen Umwälzungen in Österreich sowie
im März 1938 der Anschluss an Hitler-Deutschland. Viele Künstler mussten
flüchten, so auch Trude Fleischmann, die als Jüdin das Land verlassen
musste, zuerst nach Paris und London, im April 1939 dann nach New York
ging.
![260113fleischmann](00091964-Dateien/948_008_263667_260113fleis.jpg)
Trude
Fleischmann 1929 in ihrem Wiener Atelier. Neun Jahre später musste sie
flüchten. Foto: Fritsch Antiquariat, Wien
Die Fotografin hatte so gut wie alles zurücklassen müssen. Ein
Großteil ihrer Arbeit wurde zerstört, viele Dokumente jener spannenden
Zeit in Wien sind damit für immer verloren. Auch in New York arbeitete
Fleischmann als Fotografin, sie hatte ihr eigenes Studio in der 56.
Straße, gleich neben der Carnegie Hall. Und wieder lichtete sie
Prominente ab: Albert Einstein, Sinclair Lewis, Eleanor Roosevelt und
Marian Anderson. Und doch war vieles anders.
"Es war ein schwieriges Leben für sie", sagt Herrberg. Und Barbara
Loss erzählt: "Als Kinder wurde uns immer gesagt, sie führe das Leben
der Bohémiens, dass jene, die sie fotografiert hat, auch ihre Freunde
seien." Tatsächlich konnte sich Fleischmann in New York aber nur eine
kleine Wohnung leisten. "Und wir wussten auch, dass es Phasen gab, in
denen sie auf die Hilfe von Freunden angewiesen war."
Harte Konkurrenz
In New York war Trude Fleischmann eine von vielen. Die Konkurrenz war
riesengroß, da auch aus Frankreich, England und Deutschland zahlreiche
Fotografen emigrieren mussten. "Und sie war keine gute Vermarkterin
ihrer Selbst", sagt Loss. "Sie ist nur durch Mundpropaganda zu Aufträgen
gekommen und sie hat nicht viel Geld verlangt."
Die Familie hat Fleischmann regelmäßig besucht, immer hatte sie ihre
Kamera dabei. "Wir haben sie bewundert", erzählt Loss. Über ihre Gefühle
Wien gegenüber, dem bitteren Abschied aus dieser Stadt, von diesem
glamourösen Leben, weiß sie aber wenig. Zudem hielt Fleischmann ihr
Privatleben stets bedeckt. "Sie war keine öffentliche Person. Man hat
einfach weitergelebt, hat versucht, sich schnell zu assimilieren."
Für Herrberg ist die Arbeit über Fleischmann in dieser Hinsicht wie
ein Puzzle mit sehr wenig Teilen. "Wer wirklich ihr inner circle war,
weiß man weder von ihrer Wiener noch ihrer New Yorker Zeit." Ein paar
Freunde sind bekannt, aber die wissen auch nicht viel über andere
Bekannte. War sie wirklich Teil der New Yorker Szene? Oder nur
gelegentlich als Fotografin in dieser involviert?
"Man stolpert über ihre Werke in National Museum in Washington, im
Getty, dem MoMA und Guggenheim. Aber ihr Name ist in den USA nicht
bekannt", sagt Loss, "es gibt viele Rätsel." Einen Briefverkehr mit
Albert Einstein, Referenzierungen auf Fleischmann von Andy Warhol.
Gemeinsam mit Herrberg bemüht sich Loss sich um den Nachlass. Das ist
nicht leicht. Fleischmann hatte ihr gesamtes Œuvre bei ihrem späten und
wohl auch finanziell bedingten Umzug nach Lugano 1969 ihrer Agentin
überlassen. Und vor einigen Jahren verkaufte diese fast alle Fotos und
Briefe an einen Galeristen, der seitdem gluckengleich drauf sitzt und
weder Forschern noch Familie einen Einblick erlaubt.
"Wahrscheinlich würde sich ihr Leben vor einem ausbreiten, weil sie
auf ihren Fotos immer Notizen gemacht hat. Sie sind wie Tagebücher",
sagt Herrberg. Trude Fleischmann starb 1990 im Alter von 94 Jahren in
der Nähe New Yorks.
In die Ebendorferstraße, auf Nummer drei, sind mittlerweile
Anwaltskanzleien und Ärzte eingezogen. An Trude Fleischmann, ihre Fotos,
ihre Feste, an diese lebensfrohe Zeit, erinnert nichts mehr.
Website
Wien Museum
Printausgabe vom Mittwoch, 26.
Jänner 2011
Online seit: Dienstag, 25. Jänner 2011 17:49:00