"Metamorphosen der Weltgeschichte": Rund 100 Werke von Markus Lüpertz in der Säulenhalle der Albertina
Zitierender Strich ohne Pathos
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Markus Lüpertz in der Albertina: "Ohne Titel (Deutsches Motiv)" aus dem
Jahr 1972 (links) und "Markus Maillol", entstanden 1976, sind Beweise
der künstlerischen Bandbreite des Malers, Grafikers und Bildhauers.
Foto: Markus Lüpertz, Courtesy Galerie Michael Werner
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Von Brigitte Borchhard-Birbaumer
Markus Lüpertz ist eine Ausstellung zu den "Metamorphosen der
Weltgeschichte" mit Werken auf Papier und Karton – nebst einigen
kleinen Skulpturen – in der Wiener Albertina gewidmet. Dabei sind seine
legendären "Deutschen Motive" und seine Übertragung des antiken
"Dithyrambos" aus der Dichtkunst auf serielle Malerei zwischen
Abstraktion und Gegenstand. Aus dem dunklen Pathos der archaischen
Chorlyrik, einer Vorform der Tragödie zu Ehren des Gottes Dionysos,
holt er sich die Erfindung eines unbegreiflichen, an sich unsinnigen,
aber janusköpfigen Gebildes im Bild. Dafür dienen auch Kornähren oder
militärische Utensilien, die er mit beliebigen Objekten kombiniert.
Aufarbeitung der NS-Zeit und Reflexion über Kunst
Der Aufarbeitung des Nationalsozialismus in den 60er und 70er Jahren
schließen sich Reflexionen auf die Kunstgeschichte – hier Aristide
Maillol oder Pablo Picasso – an, die sich der Aktfigur oder
kubistischen Zerlegungen widmen. Immer sind es Fragen an die Tätigkeit
des Malers, und doch haben diese Mischgebilde die Gemüter erhitzt.
Heute werden das historische Zitat und die Symbolik auch auf die Person
des Künstlers und seinen Auftritt als Malerfürst übertragen.
Im deutschen Blätterwald rauscht der Mut der Verhöhnung eines nach
Andy Warhol untergegangenen Rollenbilds. Neben Kunst und Genie gibt es
den Vorwurf an ihn als Rektor und Leiter einer Malklasse der
Düsseldorfer Akademie, mit Machogehabe des 19. Jahrhunderts
Künstlerinnen benachteiligt zu haben. Die Kunsthistoriker, die über
Lüpertz schreiben, werden als altmodische Lieferanten von
Gefälligkeitsgutachten abgetan und die Malerei wieder einmal in Frage
gestellt. So einfach kann weder Frau noch Mann es sich mit den Granden
der Nachkriegszeit machen, zu denen neben Georg Baselitz und Gerhard
Richter eben auch Lüpertz zählt.
Zelebrieren mit Maßanzug und Gehstock
Das Paradox und eine immer neuen Reflexion auf die Kunstgeschichte
treiben den Maler, der sich mit Maßanzug und Gehstock zelebriert, aber
auch dahinter verbirgt, bis heute an: So wird nicht nur Daphne zur
Siegerin über den männlichen Apoll in Skulptur und zahlreichen Studien
dazu, sondern Dämmerung, Abend und Nacht werden unsere Zeiten von
Interesse. Durchaus aktuell ist "Die Nacht" von 1983, ein sich ins
Dunkle verlierender männlicher Akt. Die doppelte Umdrehung der
Personifikation der halben Zeit unseres Daseins gibt es zuvor nur in
barocken Darstellungen nächtlicher Karnevalsszenen oder in der Romantik
– im Normalfall ist die Allegorie der Nacht weiblich. Für Lüpertz ist
jedoch das Drama der Dunkelheit eines der Bildfläche, in die sich der
Kopf der Figur auflöst. Form und Inhalt verschmelzen, wir bleiben mit
ambivalenten Gefühlen als Betrachter zurück.
Doch bedient Lüpertz damit nicht allein den "dunklen Kontinent" in
uns, auch wenn Anspielungen auf Sigmund Freud in Wien durchaus passend
wären. Er setzt nur zersplitterte Pathosformeln zusammen und stellt sie
gleichzeitig in Frage.
Malerei ist eine dominante Sprachform der Postmoderne geblieben,
auch wenn viele junge Künstler sie in experimentelle Felder und neue
Medien verlassen haben. Auch im öffentlichen Raum regen Lüpertz’
Skulpturen unbegreiflicherweise auf, doch
ist es eigentlich die Vieldeutigkeit seiner Vorgaben, die wir so schlecht ertragen.
Neben der malerischen Vehemenz – selbst auf Papier – ist die Attitüde des "Malerfürsten" eher unwesentlich.
Kunst
Markus Lüpertz
Metamorphosen der Weltgeschichte
Kuratorin: Antonia Hoerschelmann
Albertina Wien, Säulenhalle
bis 6. Juni 2010
täglich von 10 bis 18 Uhr Mittwoch 10 bis 21 Uhr
Tel.: 01/534 83 - 0
Printausgabe vom Donnerstag, 11. März 2010
Online seit: Mittwoch, 10. März 2010 17:28:00
Kommentare zum Artikel:
11.03.2010 11:47:58 Lüpertz
Sowohl Lüpertz als seine
Kunst sind umstritten und sogar teilweise provokant. Trotz allem oder
gerade deshalb werden sich Kunstliebhaber diese Ausstellung nicht
entgehen lassen.
Sabine S.
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