Wien. Nach dem medialen Rummel um Gustav Klimt
widmet sich das Belvedere jetzt ganz Egon Schiele. Der zweite Teil der
Ausstellung "Die Tafelrunde. Egon Schiele und sein Kreis" verweist mit dem
Titel "nach Schiele" auf den Favoriten des Künstlerkreises.
Schieles expressiver Strich, seine exaltierte Persönlichkeit, sein zum
Märtyrertum stilisierter Gefängnisaufenthalt, seine manierierten Posen auf
Fotografien, sein Thematisieren der Sexualität und nicht zuletzt die
Revolte seiner Generation wirken bis zum heutigen Tag.
Auch wenn in der Postmoderne das Kopieren alter Meister völlig "out"
ist, bleibt doch die "Appropriation-Art". Im Atelier Augarten wird sie
durch die Amerikanerin Sherrie Levine vertreten. Ihre Foto-Reproduktionen
der Aquarelle wirken wie Reproduktionen von echten Schiele-Originalen.
Dabei sind sie auch nur Reproduktionen von Reproduktionen.
Schiele-Veränderungen
Die Veränderungen – auch nach feministischer Sichtweise – fallen erst
nach einem zweiten Blick auf. Dann erkennt man das Thema der Männerliebe,
aggressive Entblößungen weichen auffallenden Verhüllungen. Nur der
Narzissmus ist ein Phänomen, das Levine auch aus weiblicher Sicht
vermittelt.
Alle Fotoabzüge sind in jenen bräunlichen "Galerieton" getaucht, mit
dem das Alter verschleiert wird. Die Frage nach dem eigentlich
Schöpferischen wird dadurch gemindert. Altmodischer wirken daneben
Positionen wie jene von Günter Brus und Otto Muehl.
Sie haben unter anderem Schiele nachempfundene Akte und Ölbilder in
ihrer Frühzeit als Zeichen ihrer Identifizierung mit dem Vorgänger
angefertigt. Das "Patent Merde" ist aber auch Brus’ Aufarbeitung seiner
Verurteilungen zu Gefängnisstrafen, die ausschlaggebend für seine Kunst –
angelehnt an Schiele – waren. Dazu kommen die Pamphlete des "Patent
Urinoir" zu Gerichts- und Pressedokumenten als schriftliche Abreaktion.
Für die Aktionisten waren aber auch Schmerz, Leibverrenkung und
Nervosität, die Schiele auf Fotos und in seiner gesamten künstlerischen
Linie ausdrückte, geradezu lehrmeisterhaft.
Kurator Thomas Trummer hat die Artists in Residence der letzten Jahre,
Ugo Rondinone und Marcin Maciejowski, angeregt, direkt für die Ausstellung
zu arbeiten.
Rondinone nützte einerseits die zeichnerische Kraft für Aufnahmen
kleiner Motive. Dabei wurde ihm das Fenster besonders wichtig, was auch
den Kreis zum zeitgleich arbeitenden Marcel Duchamp schloss.
Männerfreundschaft
Maciejowski war von dem Freundschaftsbild "Die Eremiten" so angetan,
dass er Klimt und Schiele wie auch ihre Lebensmenschen Emilie Flöge, Edith
Schiele und Wally Neuziel in schwarz-weißen Ölbildern vereint hat. Trotz
Annäherung an Fotografisches wird da ein wenig sentimental schon wieder
die heilige Aura der Männerfreundschaft beschworen.
Aber zum Glück kommen daneben Hubert Schmalix’ Häuser aus Los Angeles
oder die Halbkörperpuppe des Schotten Keith Farquhar mit beschrifteter
Jeans der revoltierenden Flower-Power-Generation ohne Nostalgie aus. Der
Reigen um Schiele bringt auch filmische Parallelaktionen von Christoph
Weber und eine ironische Darstellung von Gesten durch Handschienen auf
Filz von Marcus Geiger: keine legendäre Tischgesellschaft ohne homerisches
Gelächter.
nach Schiele
Kuratoren: Tobias Natter, Thomas Trummer
Österreichische Galerie Belvedere im Atelier Augarten
(Scherzedoppelbödigrgasse 1a,
1020 Wien)
Zu sehen bis 11. Feb. 2007
Doppelbödig.
Mittwoch, 13. September
2006