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Kunstberichte

Wie Schiele heute wirkt

Eine Ausstellung im Belvedere zeigt Werke mit Bezug zu Egon Schiele
Illustration
- Eine der auf Schiele bezogenen Arbeiten von Sherrie Levine.  Foto: Österreichische Galerie

Eine der auf Schiele bezogenen Arbeiten von Sherrie Levine. Foto: Österreichische Galerie

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Wien. Nach dem medialen Rummel um Gustav Klimt widmet sich das Belvedere jetzt ganz Egon Schiele. Der zweite Teil der Ausstellung "Die Tafelrunde. Egon Schiele und sein Kreis" verweist mit dem Titel "nach Schiele" auf den Favoriten des Künstlerkreises.

Schieles expressiver Strich, seine exaltierte Persönlichkeit, sein zum Märtyrertum stilisierter Gefängnisaufenthalt, seine manierierten Posen auf Fotografien, sein Thematisieren der Sexualität und nicht zuletzt die Revolte seiner Generation wirken bis zum heutigen Tag.

Auch wenn in der Postmoderne das Kopieren alter Meister völlig "out" ist, bleibt doch die "Appropriation-Art". Im Atelier Augarten wird sie durch die Amerikanerin Sherrie Levine vertreten. Ihre Foto-Reproduktionen der Aquarelle wirken wie Reproduktionen von echten Schiele-Originalen. Dabei sind sie auch nur Reproduktionen von Reproduktionen.

Schiele-Veränderungen

Die Veränderungen – auch nach feministischer Sichtweise – fallen erst nach einem zweiten Blick auf. Dann erkennt man das Thema der Männerliebe, aggressive Entblößungen weichen auffallenden Verhüllungen. Nur der Narzissmus ist ein Phänomen, das Levine auch aus weiblicher Sicht vermittelt.

Alle Fotoabzüge sind in jenen bräunlichen "Galerieton" getaucht, mit dem das Alter verschleiert wird. Die Frage nach dem eigentlich Schöpferischen wird dadurch gemindert. Altmodischer wirken daneben Positionen wie jene von Günter Brus und Otto Muehl.

Sie haben unter anderem Schiele nachempfundene Akte und Ölbilder in ihrer Frühzeit als Zeichen ihrer Identifizierung mit dem Vorgänger angefertigt. Das "Patent Merde" ist aber auch Brus’ Aufarbeitung seiner Verurteilungen zu Gefängnisstrafen, die ausschlaggebend für seine Kunst – angelehnt an Schiele – waren. Dazu kommen die Pamphlete des "Patent Urinoir" zu Gerichts- und Pressedokumenten als schriftliche Abreaktion. Für die Aktionisten waren aber auch Schmerz, Leibverrenkung und Nervosität, die Schiele auf Fotos und in seiner gesamten künstlerischen Linie ausdrückte, geradezu lehrmeisterhaft.

Kurator Thomas Trummer hat die Artists in Residence der letzten Jahre, Ugo Rondinone und Marcin Maciejowski, angeregt, direkt für die Ausstellung zu arbeiten.

Rondinone nützte einerseits die zeichnerische Kraft für Aufnahmen kleiner Motive. Dabei wurde ihm das Fenster besonders wichtig, was auch den Kreis zum zeitgleich arbeitenden Marcel Duchamp schloss.

Männerfreundschaft

Maciejowski war von dem Freundschaftsbild "Die Eremiten" so angetan, dass er Klimt und Schiele wie auch ihre Lebensmenschen Emilie Flöge, Edith Schiele und Wally Neuziel in schwarz-weißen Ölbildern vereint hat. Trotz Annäherung an Fotografisches wird da ein wenig sentimental schon wieder die heilige Aura der Männerfreundschaft beschworen.

Aber zum Glück kommen daneben Hubert Schmalix’ Häuser aus Los Angeles oder die Halbkörperpuppe des Schotten Keith Farquhar mit beschrifteter Jeans der revoltierenden Flower-Power-Generation ohne Nostalgie aus. Der Reigen um Schiele bringt auch filmische Parallelaktionen von Christoph Weber und eine ironische Darstellung von Gesten durch Handschienen auf Filz von Marcus Geiger: keine legendäre Tischgesellschaft ohne homerisches Gelächter.

nach Schiele

Kuratoren: Tobias Natter, Thomas Trummer

Österreichische Galerie Belvedere im Atelier Augarten

(Scherzedoppelbödigrgasse 1a,

1020 Wien)

Zu sehen bis 11. Feb. 2007

Doppelbödig.

Mittwoch, 13. September 2006


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