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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
29. Dezember 2005
20:15 MEZ
Foto: Artelier
Ein Multiple von Jörg Schlick: der Polyartist (re.) zusammen mit Martin Kippenberger, einem seiner besten Freunde.

Grazer Künstler Jörg Schlick 54-jährig gestorben
Der Polyartist, einer der zentralen Referenten des Forum Stadtpark, als dieses internationale Relevanz hatte, starb an Knochenkrebs

Graz – Jörg Schlick sprühte immerzu vor Energie. Eines Morgens vor drei, vier Jahren, zurück aus dem Urlaub, schlug er voll Tatendrang die Bettdecke weg – und brach sich das Bein. Nicht besiegt zu werden, auch nicht vom Knochenkrebs: Das wurde das Ziel des unbeugsamen wie unbequemen Konzeptkünstlers, Autors, Malers und Musikers.

Besessen arbeitete er, einer der zentralen Referenten des Forum Stadtpark, als dieses internationale Relevanz hatte, und der schillerndsten Figuren der Grazer Szene, an einem überbordenden Gesamtwerk. Am 28. Dezember verließ ihn dennoch die Energie: Schlick, 1951 geboren, starb an multiplem Organversagen.

Der Mann mit dem großen Kopf war immer auch subversiv, er scheute keinen Konflikt. Und mit seinen Künstlerfreunden heckte er mitunter Lausbubenstreiche aus. Eine dieser besoffenen Geschichten war die "Lord-Jim-Loge", Mitte der 80er-Jahre vom Dramatiker Wolfgang Bauer, dem Autor Max Gad und dem Regisseur Bernd Fischerauer in der Haring, einer längst legendären Likörstube, gegründet.

Das Logo für diesen "Geheimbund" mit dem Motto "Keiner hilft keinem" entstand als Gemeinschaftsarbeit: Albert Oehlen und Martin Kippenberger zeichneten auf einen Zettel eine Sonne mit Hammer, Wolfgang Bauer kritzelte die Brüste dazu, und Schlick gestaltete damit das Plakat für eine Ausstellung in der Galerie Bleich-Rossi. Das Logo bekannt zu machen wie jenes von Coca-Cola wurde Schlicks Konzept: Er gab an die Logenbrüder Stempel aus, Bauer und Kippenberger signierten damit ihre Werke.

Im Forum brachte Schlick eine Zeitschrift mit dem Titel "Sonne Busen Hammer" heraus, das "Zentralorgan der Lord-Jim-Loge". Und als Künstler, den das Serielle interessiert, schuf er zahlreiche Multiples, verziert mit dem Logo.

Doch irgendwann wurde die Loge langweilig, die Ironisierung der Konsum- und Warenwelt nutzte sich ab. Als "J.B.Slik" veröffentlichte er einige Platten, Ende 1993 begann er mit dem Dramatiker Werner Schwab einen Briefroman über zwei Jugendliche, der ein jähes Ende fand.

Ab 1996 arbeitete Schlick unter der Intendanz von Christine Frisinghelli mit am steirischen herbst. Und 2001 ermöglichte ihm Peter Oswald, der neue Chef des Festivals, die Umsetzung eines fast größenwahnsinnigen Projektes: Schlick bespielte gleichzeitig knapp 20 Veranstaltungsorte mit 1000 Werken.

Das Schaffen wurde zur Manie. Jörg Schlick malte zuletzt pseudo-isochromatische Tafeln, er fotografierte unablässig, er zeichnete mit enormer Ruhe nebulose Kreisgebilde, die unter dem Titel "In besseren Kreisen" ausgestellt wurden.

Schwab starb 1994, Kippenberger 1997, Bauer 2005. Nun ist auch Schlick wieder in seinen besseren Kreisen. (trenk/ DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.12.2005)


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