Die Lust an der Differenz | |
Matthias Herrmann, amtierender Präsident der Wiener Secession im Gespräch über Hotels, Fotokunst, Sexualität und Queer-Culture. |
"To be queer" meint selbstbewusstes
homosexuelles Leben von Frauen und Männern abseits von bürgerlichen
Benimmnormen. Matthias Hermann gibt als Fotokünstler und Vertreter
zahlreicher Künstler in der Wiener Secession Einblick in solch freche und
humorvolle Lebensformen. kultur.ORF.at: Was unterscheidet Ihr neues Buch "Hotels 2001"
von seinem Vorgänger "Hotel"? Herrmann: Es ist eine Weiterführung meiner Arbeit. Das erste
Buch besteht aus Fotos von mir, ergänzt durch kleine Textzitate. Im neuen
Buch wurden zum Teil nur Texte fotografiert. Zahlreiche sind vom
amerikanischen schwulen Künstler David Woynarowicz, der vor sieben oder
acht Jahren an Aids verstorben ist. Woynarowicz war bildender Künstler,
der auch Comics zeichnete und Tagebücher schrieb - exzellente Texte. kultur.ORF.at: Was ist das Inspirierende an Hotels?
Herrmann: Der Aufenthalt in Hotels wird oft mit einem
Freiheitsgefühl assoziiert. Spitzenmanager zum Beispiel, die sich ehefremd
vergnügen wollen, gehen natürlich ins Hotel und nicht nach Hause. Ein
weitere Grund ist, dass ich durch meine Tätigkeit in der Secession sehr
beschäftigt bin und viel reisen muss. Und da finde ich am Abend oftmals
mehr Zeit als in Wien um kreative Dinge zu entwickeln. kultur.ORF.at: Im Katalog "aus Schaum geboren" von 1998 sind Sie
mit Künstlerkollegen abgebildet, die in verschiedenen Verrenkungen fast
schwebend durch den Raum gleiten. War das der Beginn solcher
Fotografie? Herrmann: Nein, der Beginn dieser "One-Man"-Fotografie ist viel
früher. 1993 hab ich begonnen männliche Geschlechtsorgane mit bunten
Farbfiltern zu fotografieren. Wichtig an diesen Hotelfotos ist mir die
künstliche Situation in einem Hotel. Auch sind in einem Hotel mehr
Accessoires, die ich im Studio nicht habe. Dort arbeite ich meist nur mit
einem farbigen Hintergrund oder einem Stuhl.
kultur.ORF.at: In Ihren Fotos geht es in erster Linie um
Sexualität und Selbstdarstellung. Was macht diese Kombination so spannend,
um sie immer wieder zu reproduzieren? Herrmann: Es gibt ja eine ganz lange Tradition von
sexualisierter Selbstdarstellung in der Kunst, sowohl fotografisch als
auch malerisch. Wollen Sie mir damit durch die Blume sagen, dass Sie das
langweilig finden und ich was anderes machen sollte? kultur.ORF.at: Nein. Herrmann: Das hört man natürlich immer wieder: "Der Herrmann mit
seinem Schwanz. Der schon wieder!" kultur.ORF.at: Ja, aber es ist doch ein tolles Logo.
Herrmann: Ja. Worunter ich manches Mal bei der Rezeption meiner
Arbeit ein wenig leide, ist, dass die Leute das Gefühl haben, sie haben es
schon gesehen. Dagegen versuche ich mich zu wehren, weil es nicht zwei
gleiche Fotos gibt. Meine Arbeiten haben meist ein sehr hohes Maß an
Peinlichkeiten, die sowohl ich als auch der Betrachter empfindet. Da man
damit nicht viel zu tun haben will, sagt man, das kennt man schon. Es ist
eine Art Abwehrreaktion. In Österreich gibt es wenig Bewusstsein was
Gender-Politics betrifft. Mich interessiert dies aber sehr. kultur.ORF.at: Würden Sie Ihre Fotos auch in die Queer-Postion
einreihen? Herrmann: Eindeutig. Ich hab mich immer als politischen Künstler
gesehen. Und ich weiß nicht wie klar die Sprachdifferenz in Österrreich
ist. Im amerikanischen Raum gibt es einen großen Unterschied zwischen
"gay" und "queer". "Gay" steht dort für eine gewisses Assimilierung im
bürgerlichen Sexualethos, während "queer" mehr für die Lust an der
Differenz steht. Ich hab' meine Arbeit schon immer als einen Stachel im
gesellschaftlichen Fleisch gesehen. kultur.ORF.at: Homosexualität als Thema per se spielt somit eine
wichtige Rollle in Ihren Arbeiten. Herrmann: Ja klar. Auch das selbstbewusste Darstellen. Es ist
wichtig, dass Sexualität sichtbar wird. Das betrifft ja nicht nur die
Homosexualität sondern auch die Sexualität von Frauen. Das betrifft alle
so genannten Minderheiten. kultur.ORF.at: Planen Sie als Präsident der Secession auch mehr
Arbeiten im Queer-Bereich? Herrmann: Es ist generell problematisch, Queer-Ausstellungen zu
zeigen, wenn sie aus dem Kunstkontext herausfallen. Am Anfang meiner
Präsidentschaft war das eine sehr große Frage für mich. Ich halte nichts
davon, primär schwule Kunst zu zeigen, denn dann heißt es verkürzt:
"Schwuler Präsident - schwules Programm". Und eine solche Verkürzung würde
dem Ausstellungshaus Secession nicht gut tun. Die nächste Ausstellung im
Grafischen Kabinett und in der Galerie ist der österreichischen Künstlerin
Ines Doujak gewidmet, die sehr stark mit heterosexistischen Normen in
Österreich spielt. Sie wird einen Wagen bei der Regenbogenparade
bespielen. | ||||||||
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