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Neueröffnung: Das neue Mumok räumt mit Ismen auf

22.08.2011 | 18:28 | SABINE B. VOGEL (Die Presse)

Im Mumok wird eifrig gearbeitet, damit am 9.September auch eröffnet werden kann. Ein erster Eindruck von der Ausstellung "Museum der Wünsche" mit rund 250 Objekten ist vielversprechend. Begierde gibt es genug.

Es sind nur noch etwas mehr als zwei Wochen, bis das Wiener Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig (Mumok) wieder eröffnet – und es bleibt noch etliches zu tun: Im Eingangsbereich, wo eine Fototapete von Cindy Sherman die Besucher begrüßen soll, sind Wände entfernt worden, von der Decke hängen Kabel. Treppen und Geländer fehlen noch. Wie das neue Café hier vorne ausschauen wird, kann man höchstens erahnen. Noch gespannter darf man auf die neue Garderobe sein, die Franz West gestaltet. Nebenan im Ausstellungsraum ist gerade erst der Terrazzo-Boden fertig renoviert worden – durch den nassen Estrich während der Bauphase vor zehn Jahren entstanden mehr und mehr Sprünge und Risse. Die sah der normale Besucher zwar kaum, aber für die Neueröffnung des Museums soll alles perfekt sein.

Während unten noch alles Baustelle ist, beginnt im obersten Stockwerk bereits der Aufbau der kommenden Ausstellung: „Museum der Wünsche“ nennt es die neue Direktorin Karola Kraus. Auf 4500 Quadratmetern in sämtlichen Etagen des Hauses werden Werke der permanenten Sammlung gezeigt – ergänzt und oftmals durchbrochen von den „Wünschen“, also Werken, die Kraus für die Sammlung ankaufen möchte.

 

Calder, Mondrian, Delaunay

Es wird eine strenge, enorm reduzierte Neuaufstellung werden. Nur 200 der insgesamt 9000Werke aus den Depots sind ausgewählt, dazu 32Wünsche. Gestartet wird im 4.Stock: Dort geht es zu den Anfängen des Hauses zurück, zur Klassischen Moderne – diesen Schwerpunkt hat Gründungsdirektor Werner Hofmann 1962 gelegt. Später kam durch die Schenkungen des Ehepaars Ludwig ein zweiter, auf US-amerikanischen Künstlern basierender Schwerpunkt mit Werken der Pop und Minimal Art und des Nouveau Réalisme hinzu. Dieser Entwicklung folgt die weitgehend chronologische Neuaufstellung.

Aber anders als die im 20.Jahrhundert üblichen Präsentationen spiegelt das Mumok jetzt die massiven Veränderungen unserer Weltwahrnehmung wider: Statt Ismen sehen wir thematische Blöcke, statt strenger Zeitabfolgen durchbrechen Werke zeitgenössischer Künstler die Illusion einer linearen Geschichte. Denn ganz so schön geordnet und in Schubladen aufgeteilt, wie es die Moderne favorisierte, ist die (Kunst-)Geschichte ja doch nie abgelaufen. So treffen jetzt im Mumok beispielsweise ein buntes Mobile von Alexander Calder, Werke von Mondrian und Moholy-Nagy, ein wunderschönes, weißes Relief von Robert Delaunay und drei Arbeiten des polnischen Avantgardisten Henryk Stazewski aus den 1960ern aufeinander. Stazewski ist einer der „Wünsche“, seine Reliefs kosten je 100.000 Euro. Hier wird unser Blick auf die verschiedenen Wege der geometrischen Abstraktion gelenkt, auf Bilder, in denen es immer auch um Harmonie geht. Wenige Schritte weiter sieht man auf eine ganze Palette von Landschaften, wenn Herbert Brandl neben Gerhard Richter, René Magritte und Frantisek Kupka hängt; oder auf Menschenbilder von Maria Lassnig, Picabia, Willem de Kooning bis zu Max Oppenheimer.

In diesen Blöcken können die Themen immer nur angetippt, die Künstler nur mit ganz wenigen Werken vorgestellt werden. Aber die meisten sind berühmt genug, dass beim Museumspublikum ein Vorwissen vorausgesetzt werden kann – oder genügend Interesse besteht, die ausführlichen Werkerläuterungen im Katalog zu lesen.

 

Die Stars der späteren Moderne

Ein Stockwerk tiefer dann dominieren die US-amerikanischen Künstler, darunter ein großformatiges Werk von Dan Flavin, das für 1,5 Mio. Dollar in die Sammlung des Mumok wechseln könnte. Hier treffen sich die Neuen Klassiker, die Stars der späten Moderne, Morris Louis, Sol LeWitt, Andy Warhol. Die dürfen wohl in keinem westlichen Museum fehlen.

Aber Kraus wünscht sich einige Ergänzungen, frühe Imi Knoebels, eine Eck-Verspannung von Fred Sandback, eine Medienarbeit von Robert Barry. Und auch hier erlaubt sich das Mumok unerwartete Kombinationen, wenn dazwischen Werke der 1926 in Rumänien geborenen Geta Bratescu oder der jungen, polnischen Künstlerin Marzena Nowak hängen und die minimalistische Strenge durch narrative Tendenzen durchbrechen. Nowaks Hula-Hoop-Reifen aus Stahl kosten übrigens lediglich 6000 Euro. Es ist diese Entscheidung, immer wieder zeitliche und stilistische Brüche zu provozieren, die ohne Zweifel den Reiz dieser Neuaufstellung ausmachen wird. Wegweisend aber ist vor allem die Entscheidung, auch jene Positionen zu integrieren, die während des Kalten Krieges in politischer Folgsamkeit ignoriert wurden, die teilweise im Depot lagerten, teilweise erst jüngst angekauft wurden oder jetzt auf der Wunschliste stehen.

In seinem ersten Katalog des damals noch jungen Museums schrieb Hofmann, dass er nicht „glanzvolle Namen“, sondern „konstitutive Entwicklungsträger“ ankaufe. Dahinter stand seine Überzeugung, es gäbe eine Genese der Gegenwartskunst. Die jetzt im Mumok präsentierte Aufstellung dagegen leitet die Werke nicht mehr voneinander ab, sucht keine Beispiele für eine schrittweise Entwicklung. Gerade die Themenblöcke zeigen, dass manche Sujets und Stile über alle Zeiten hinweg relevant oder herausfordernd sein können. Wenn das Mumok eröffnet, können wir dann auf acht Etagen auch die in der Moderne ausgegrenzten Experimente, die Bezugnahmen zwischen Gestern und Heute, die Unterschiede im Ähnlichen studieren – eine Kunstgeschichte im Prozess.


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