Albertina: William Kentridges mehrdeutige
Erweiterung der Kunst in fünf Themen
Schattenspieler der Perspektive
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William Kentridges "Ohne Titel" (Projektzeichnung "Reclining Woman",
2001). Foto: William Kentridge/Albertina
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Von Brigitte
Borchhardt-Birbaumer
![Aufzählung Aufzählung](00091195-Dateien/wzfeld.gif)
Er hat die
Aktualität des Zeichnerischen mittels erweitertem Film und Theater für
alle nachvollziehbar gemacht: William Kentridge. Mit seiner Übertragung
von Grafikzyklen in Filminstallationen, Animationsfilme, bis zu
Operninszenierungen und Tapisserien ist er daher nun folgerichtig in der
Albertina mit der Schau "Fünf Themen" zu Gast.
Der 1955 in Johannesburg geborenen Künstler, Theaterregisseur,
Performer und Filmemacher liebt das Mehrdeutige, Absurde, den ungewissen
Ausgang von Geschichten wie jener der berühmten Aufklärungsoper
"Zauberflöte", die in Wien uraufgeführt wurde. Mit ihr hat er sich 2005
bis 2007 intensiv auseinandergesetzt, wovon auch zwei Miniaturtheater
neben Zyklen von Zeichnungen zeugen.
Als ironisch schwarzmalender Zeitgenosse ist Kentridge auch
politischer Chronist der Folgen von Kolonialismus und Apartheid; dabei
ist er ganz künstlerischer Therapeut, fast wie Joseph Beuys mit seiner
Aufarbeitung in der Nachkriegsära. Er zeigt sich aber nicht als Schamane
der Kunstszene.
Im Welttheater hält er sich am Rande auf, und doch prangert er Folter
und Mangel an, gewinnt moralisches Terrain zurück und hält uns mit
Metaphern wie dem wiederkehrenden Fall von der Leiter einen Spiegel vor.
Immer im Ausgleich von Bewegung und Anhalten, gleich der
Stop-Motion-Technik seiner Stummfilm-Vorbilder, und damit in einem
archaisch anmutenden Tanzrhythmus, entzieht er sich und die Besucher in
die Gefilde von schwarz expressiven Landschaften und Black Boxes. Die
Gefühle darin sind voll von Desillusion und Melancholie, jedoch ist die
männliche Geste der Vermessung der Welt als Blick zurück in die
Kunstgeschichte tröstliche Reflexion.
Der Traum und die kulturwissenschaftliche Analyse sind eine von
vielen Verbindungen zu Sigmund Freud. Aber nicht nur Wien will den
zweimaligen Beiträger zur Documenta gerne eingemeinden: Kentridge erhält
nach dem Oskar-Kokoschka-Preis und dem Goslarer Kaiserring heuer den
Nobelpreis für bildende Kunst, den Kyoto-Preis.
Entstehungsprozess der Arbeiten als Filmprojektion
Seine vielschichtigen Inhalte und die multimediale Erweiterung von
Grafik in Film, Theater und Installation gemeinden auch Skulptur und
Malerei ein, doch bleiben sie neben Film und Zeichnung marginal. Er
zeigt uns den Entstehungsprozess seiner Arbeiten in einer siebenteiligen
Filmprojektion als "Parcours d’Atelier" auch als Entstehen von Kunst.
Von der Metapher des Schattenspiels ausgehend, breitet er alle
rätselhaften Sehmodelle und ihre Apparate vor uns aus. Die Kameras,
kleinen Modellbühnen und Stereoskope lehren uns Perspektive wie ihre
Verzerrung, die Anamorphose, ein besonderes Augenspiel des Manierismus.
Doch der Schattenspieler Kentridge wandelt Kameras zu
Mordinstrumenten, die Tücke des Apparats wendet sich gegen einen
Protagonisten – meist handelt es sich um Alter Egos des Künstlers –, der
im Nadelstreif zum Felsen erstarrt. Fließende blaue Wasser treten aus
den Kohlestrich-Figurationen und sprechen von der Liebe als mächtige
Überflutung und uns ertränkende Emotion.
Die Welt wird zur getanzten Metapher des Verlusts in Kentridges
fantastischer Bearbeitung von Dimitri Schostakowitschs Oper "Die Nase"
nach Nikolai Gogols Erzählung von 1836. Im Jahr 1930 uraufgeführt, wird
sie 2010 an der Metropolitan Opera unter der Regie von Kentridge zur
Geschichte des katastrophalen Scheiterns der künstlerischen
Revolutionäre. Sie ziehen als Scherenschnitte Tatlins Turm hinter sich
her, das Quadrat von
Malewitsch zerbricht in tausend Stücke.
Doch anderswo, im Abebben des Zauberflötenklangs auf der Kehrseite
der Aufklärung, in Afrika und seinem Leid an den Folgen des
Kolonialismus, werden aus Bombenfetzen wieder Gestirne am Nachthimmel.
Das ägyptische Gottesauge spricht aus dem Dunkel – wie der Schwarzmaler
eine Lichtspur zieht.
Ausstellung
William Kentridge. Fünf Themen
Mark Rosenthal
(Kurator)
Albertina
bis 30. Jänner
Printausgabe vom Freitag, 29.
Oktober 2010
Online seit: Donnerstag, 28. Oktober 2010 18:46:00
Kommentare zum Artikel:
30.10.2010
13:20:46 interessant!
Was mir an Künstlers gefällt,
ist wenn sie so vielseitig sind wie Kentridge - da ist alles möglich
und sie suchen jedes Medium, das macht alles auch extrem spannend und
kraftvoll, bin gespannt was aus seinem Repertoire in der albertina zu
sehen sein wird - auch der Lebenslauf des Künstler,s ob dieser einfließt
oder nicht. Schön mal wieder.
Petra Wagner
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