Das Kunstforum der Bank Austria bietet erstmals eine Schau mit Arbeiten des Malers Georges Braque
Der stille Revolutionär der Malerei
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Georges Braque: Landschaft in der Provence, L’Estaque. Foto: VBK, Wien
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Von Gerbert Frodl
Zum allerersten Mal findet in Österreich eine Ausstellung von Werken
dieses eminent wichtigen französischen Malers statt: Die Schau mit
Arbeiten von Georges Braque (1882 bis 1963) im Kunstforum der Bank
Austria ist jedoch nicht nur aus diesem Grund hervorzuheben, sondern
auch in Bezug auf die Auswahl und Qualität der 75 Bilder und 10
Kaltnadelradierungen, die von 50 europäischen und amerikanischen
Leihgebern für
Wien ausgeliehen werden konnten.
Braque ist einer der ganz Großen der Kunst des 20. Jahrhunderts.
Dennoch steht er ein wenig im Schatten. Braque war nicht der Typ des
Revolutionärs – und doch trägt die tiefgreifendste Revolution, welche
die Malerei seit der Renaissance erlebt hat und die sie radikal
veränderte, seine Handschrift.
Die Emotionalität der reinen Farben
Schon 1905 tat er sich mit den "Fauves", den "Wilden", zusammen –
unter ihnen Henri Matisse, Raoul Dufy, Maurice Vlaminck. Zunächst
zeigte sich Braque beeindruckt von der Emotionalität reiner Farben und
der damit verbundenen Absage an die längst traditionell gewordene
Stimmungsmalerei des Impressionismus.
Es hielt ihn jedoch nicht lang in dieser avantgardistischen Gruppe
früher Expressionisten. Sie entsprachen nicht seinem Intellekt, der
ganz anders ausgerichtet war und viel eher im Werk Paul Cezannes (1906
gestorben), das im Pariser Herbstsalon 1907 in großem Umfang gezeigt
wurde, die entsprechende Resonanz finden konnte. Hier legte Braque den
festen Grundstein, auf dem er
in der Folge sein ganzes wohl organisiertes malerisches Gebäude errichten konnte.
Die Schaffung einer neuen Realität
Die Begegnung mit Pablo Picasso im Jahr 1907 rührte zu einer mehrere
Jahre dauernden engen Partnerschaft (von Braque mit einer "Seilschaft
beim Klettern" verglichen), die aber mit dem Beginn des Kriegs 1914 ihr
Ende fand. Die beiden Maler schufen – man kann sagen: erfanden – den
Kubismus. Und das war tatsächlich eine Revolution.
Ihr Ziel war, Raum und Volumen ohne Illusionismus darzustellen, das
heißt unabhängig von herkömmlicher Perspektive und Farbigkeit eine
neue, eigene Realität zu schaffen. Die beiden Maler, denen sich Juan
Gris, Fernand Léger und andere anschlossen, stießen damit die Tür in
eine Zukunft auf, die der Malerei nahezu unendliche Möglichkeiten
eröffnete.
Die Verweigerung der Popularität
Es lag in der Natur von Braques Persönlichkeit, dass er sich nie an
die Öffentlichkeit drängte und daher nie außergewöhnliche Popularität
genoss. Die nahezu ausschließliche Konzentration auf das Bildthema
Stillleben, womit er zum klassischen Gestalter dieses Genres im 20.
Jahrhundert wurde, mag auch ein Grund dafür sein und natürlich der
Glanz des extravertierten Selbstdarstellers Picasso, den man ja wohl
den Maler des 20. Jahrhunderts nennen muss.
Die Ausstellung im Kunstforum ist klar und im Prinzip chronologisch
aufgebaut. Sie setzt mit der fauvistischen Phase um 1906/07 ein, als
Landschaft für Braque noch ein Thema war. Es folgen einige Bilder der
Übergangsphase (nicht zuletzt unter dem Einfluss Cézannes), die den
Kubismus ahnen lassen.
Hinreißend in dieser Ausstellung ist die Ansammlung vieler
hervorragender Werke der kubistischen Phase, die zwischen 1909 und 1914
entstanden sind. Braque und Picasso arbeiteten nebeneinander,
beeinflussten einander und als es um die Weiterentwicklung und
Veränderung des neuen Stils zum sogenannten synthetischen Kubismus"
ging, hat wohl Braque durch die Hinzufügung fremder Materialien wie
bedruckten Papiers oder von Tapetenstücken die Initialzündung ausgelöst.
Seine Erfindung der Collage 1912/13, von Picasso sofort aufgegriffen, hat
der bildenden Kunst den ausschlaggebenden Weg
ins 20. Jahrhundert gewiesen. Im Kunstforum sind
einige Bilder aus dieser
Zeit zu sehen, die man als intellektuelle Basis der abstrakten Kunst betrachten muss.
Braque musste in den Krieg (Picasso als Spanier nicht), erlitt eine schwere Kopfverletzung und konnte erst 1917 wieder malen.
Neubeginn durch Reduktion der Farben
Das ist ein Neubeginn, der an die erste Phase des (analytischen)
Kubismus anknüpft, die Farbpalette reduziert sich auf graue, braune
Töne, auf Schwarz und Weiß. Dann werden die Bildkompositionen
vielgestaltiger, voller, nach wie vor ohne menschliche Gestalt.
Braque malt Serien von Atelierbildern und Interieurs, die als
Auseinandersetzung mit seinem eigenen Malerleben zu verstehen sind. Ab
den 30er Jahren entstehen auch starkfarbige Kompositionen, doch kehrt
er immer wieder zu der ihm eigenen Reduktion auf Grau, Braun und deren
Schattierungen zurück.
Die neue Definition des alten Stilllebens
Braque hat dem seit dem 17. Jahrhundert in vieltausendfacher Form
gestalteten Bildthema Stillleben eine völlig neue Vitalität gegeben,
indem er mittels der Farbe und der von herkömmlicher Perspektive
gelösten Form handgreiflichen Raum schuf. Damit beeinflusste er,
unabhängig vom Bildinhalt, die Malerei bis weit über seinen Tod
hinaus.
Vier wunderbare Fotos von Franz Hubmann vermitteln in der
Ausstellung zusätzlich den Eindruck von Braques außergewöhnlicher
Persönlichkeit.
Ausstellung
Georges Braque
Kunstforum der Bank Austria Zu sehen bis 1. März 2009
Printausgabe vom Freitag, 14. November 2008
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