Einen
grandiosen Panoramablick bietet das Salzburger Museum der Moderne auf
dem Mönchsberg bis 11. November nicht nur nach außen. Innen reicht er
gar bis China: Unter dem Titel „Mahjong“ wird chinesische
Gegenwartskunst aus der Schweizer Sammlung Sigg gezeigt.
Delikate
erotische Anspielungen kommen dabei ebenso wenig zu kurz wie brutale
Verweise auf diktatorisches Grauen. Wer diese empfehlenswerte
Ausstellung besucht, wird über das breite Spektrum des hier in allen
Etagen des Museums Gezeigten ein ebenso breites Spektrum an Gefühlen
erleben. Schließlich sammeln der ehemalige Schweizer Botschafter
in China und seine Frau seit den späten 1970er-Jahren ausschließlich
chinesische Kunst der jeweiligen Gegenwart. Was heißt: Sowohl im Umfang
als auch in der Aussage ist das Ergebnis dieser Leidenschaft gewaltig. Starke Wurzeln An
die dreihundert Arbeiten werden nun in Salzburg gezeigt. Ihre
inhaltliche Bandbreite reicht vom KP-verordneten Sozialistischen
Realismus und somit der Mao-Propaganda bis herauf zu den
karikaturistisch anmutenden bildnerischen Statements des sogenannten
„Zynischen Realismus“ als Reaktion auf die Grausamkeiten auf dem
Tianmen-Platz 1989. Für die öffentliche Umsetzung dieser radikalen und
höchst zweideutigen Botschaften (wie etwa Yue Min Juns Variationen
eines grinsenden Mannes) ist in China wohl noch immer viel Mut
Voraussetzung. Bei den meisten der auf dem Mönchsberg
ausgestellten Werke verschränken sich faszinierend die starken Wurzeln
der Tradition mit der Verarbeitung der sozialen und ökonomischen
Umwälzungen der vergangenen Jahrzehnte. Als Blick-Beispiel seien
hier die seltsam funkelnden, großformatigen Bilder von Chang Xugong
empfohlen, die erst beim Blick aus der Nähe ihre Technik offenbaren:
Chang Xugong lässt seine zwiespältigen Motive dekorativer Snobs von
Seidenstickerinnen anfertigen. Der Künstler verweist damit in höchst
ironisierender Form auf das touristische Aushängeschild seiner Heimat
und dessen kapitalintensive, inflationäre Handhabung. Starke Strategien Der
Ausstellungstitel „Mahjong“ – das traditionelle chinesische
Nationalspiel – ist als Metapher ideal, wie der Gang durch die
exzellent in themenbezogene Kapitel gegliederte Schau flugs beweist:
Aufgabe des bis in die Ming-Dynastie zurückreichenden Spiels (das im
Rahmen der Ausstellung auch erlernt werden kann) ist nämlich, die
besten Strategien für die Kombination der in 144 Kategorien
unterteilten Spielsteine zu entwickeln. Um Strategien geht es
denn auch in der gezeigten zeitgenössischen Kunst Chinas. Um jene des
physischen Überlebens durch Schönfärberei ebenso wie um jene des
psychischen Überlebens durch konsequentes Aufbegehren und Einnehmen
radikaler Positionen. Mahjong eben.
vom 08.10.2007 |