Leidgeprüfte Eltern, Aufklärungsbeauftragte, ihr
könnt aufatmen! Und euren Nachwuchs ab sofort getrost mit der
Fernbedienung spielen lassen. Macht nix, wenn er sich in eine
Kultursendung verirrt, wo gerade blutbesudelte Leiber am Kreuz hängen,
weil ein vollbärtiger und -bäuchiger Mann (der
Orgien-Mysterien-Theaterdirektor, Melker der Blutkreisläufe) sie
reihenweise ins Hämoglobin treibt, ins rote Meer.
Wenn die verschüchterten Kleinen vorm Fernseher, dem Trauma nahe,
fragen: "Mama, ich hab Angst, wer sind denn die Onkeln und Tanten, die so
arg bluten?", dann sagt ihr einfach: "Aber das sind doch nur
Blutkörperchen."
Zugegeben, bei Stefanie Grüssl, die die Sprache gern geradezu provokant
wörtlich nimmt, lungern die "Blutkörperchen", blutrote Menschlein, in
einer Ader (die wohl die legendäre romantische Ader ist) herum und
nicht im O.M.-Theater. Und die "schneidende Kälte"? Ist natürlich eine
Schere, die demonstrativ durch den Winter stolziert.
Ganz so plakativ geht’ s hier aber eh nicht immer zu. Die Metaphern und
Symbole in diesen eingängigen, psychologisch intensiven Bildern (derzeit
in der Wirtschaftskammer zu sehen) sind freilich die üblichen
Verdächtigen: Blumen, Vögel, Türen. Na ja gut, sonst verstünde man sie ja
eventuell nicht.
Kopfschmerzen
"Meditation wirkt" (klingt ein bisserl wie der tröstliche Werbeslogan
"Aspirin hilft!", der den Erlöser vom Kopfschmerz verherrlicht): Ein
Vogel, der erfolgreich meditiert hat, bricht aus dem orientierungslosen,
hektischen Schwarm aus und schwebt in der absoluten Stille.
Ich selbst dürfte für diese seelenvoll beschauliche Bildsprache ja
hoffnungslos blind sein. Für mich ist der leuchtende Energiekreis auf
blitzblauem Grund einfach der Blick in eine brennende Taschenlampe.
Begnadetere Personen schauen vielleicht direkt ins Nirwana. (Ich gehöre
eindeutig nicht zur Zielgruppe.)
Ja, es liegt wirklich an meinem defizitären, unsensiblen Gesichtssinn,
denn Grüssls spirituelle Arbeiten werden seit ein paar Jahren von der
Psychotherapeutin Irina Sibgatullina (von der Universität Kasan in
Russland) sehr fruchtbar in der Therapie eingesetzt. Grüssl: "Ich habe den
Schlüssel gefunden, die Menschenherzen zu öffnen."
Ursprünglich kommt sie übrigens von der greifbaren Materie her: der
Keramik. War sogar einmal Fliesenlegerin am Bau. Ist außerdem diplomierte
Designerin und seit 1999 im Wirtschaftsministerium beschäftigt.
Stefanie Grüssl
Begegnung mit dem
inneren Sein
Wirtschaftskammer
Österreich
(Wiedner Hauptstraße 63)
Bis 12. September
Sehr spirituell.
Samstag, 02. September
2006