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Kunstberichte

Aspirin im Nirwana

Die Wirtschaftskammer Österreich zeigt Meditatives von Stefanie Grüssl
Illustration
- Stefanie Grüssl nähert sich dem Rätsel Katze.  Foto: Katalog

Stefanie Grüssl nähert sich dem Rätsel Katze. Foto: Katalog

Von Claudia Aigner

Leidgeprüfte Eltern, Aufklärungsbeauftragte, ihr könnt aufatmen! Und euren Nachwuchs ab sofort getrost mit der Fernbedienung spielen lassen. Macht nix, wenn er sich in eine Kultursendung verirrt, wo gerade blutbesudelte Leiber am Kreuz hängen, weil ein vollbärtiger und -bäuchiger Mann (der Orgien-Mysterien-Theaterdirektor, Melker der Blutkreisläufe) sie reihenweise ins Hämoglobin treibt, ins rote Meer.

Wenn die verschüchterten Kleinen vorm Fernseher, dem Trauma nahe, fragen: "Mama, ich hab Angst, wer sind denn die Onkeln und Tanten, die so arg bluten?", dann sagt ihr einfach: "Aber das sind doch nur Blutkörperchen."

Zugegeben, bei Stefanie Grüssl, die die Sprache gern geradezu provokant wörtlich nimmt, lungern die "Blutkörperchen", blutrote Menschlein, in einer Ader (die wohl die legendäre romantische Ader ist) herum und nicht im O.M.-Theater. Und die "schneidende Kälte"? Ist natürlich eine Schere, die demonstrativ durch den Winter stolziert.

Ganz so plakativ geht’ s hier aber eh nicht immer zu. Die Metaphern und Symbole in diesen eingängigen, psychologisch intensiven Bildern (derzeit in der Wirtschaftskammer zu sehen) sind freilich die üblichen Verdächtigen: Blumen, Vögel, Türen. Na ja gut, sonst verstünde man sie ja eventuell nicht.

Kopfschmerzen

"Meditation wirkt" (klingt ein bisserl wie der tröstliche Werbeslogan "Aspirin hilft!", der den Erlöser vom Kopfschmerz verherrlicht): Ein Vogel, der erfolgreich meditiert hat, bricht aus dem orientierungslosen, hektischen Schwarm aus und schwebt in der absoluten Stille.

Ich selbst dürfte für diese seelenvoll beschauliche Bildsprache ja hoffnungslos blind sein. Für mich ist der leuchtende Energiekreis auf blitzblauem Grund einfach der Blick in eine brennende Taschenlampe. Begnadetere Personen schauen vielleicht direkt ins Nirwana. (Ich gehöre eindeutig nicht zur Zielgruppe.)

Ja, es liegt wirklich an meinem defizitären, unsensiblen Gesichtssinn, denn Grüssls spirituelle Arbeiten werden seit ein paar Jahren von der Psychotherapeutin Irina Sibgatullina (von der Universität Kasan in Russland) sehr fruchtbar in der Therapie eingesetzt. Grüssl: "Ich habe den Schlüssel gefunden, die Menschenherzen zu öffnen."

Ursprünglich kommt sie übrigens von der greifbaren Materie her: der Keramik. War sogar einmal Fliesenlegerin am Bau. Ist außerdem diplomierte Designerin und seit 1999 im Wirtschaftsministerium beschäftigt.

Stefanie Grüssl

Begegnung mit dem

inneren Sein

Wirtschaftskammer

Österreich

(Wiedner Hauptstraße 63)

Bis 12. September

Sehr spirituell.

Samstag, 02. September 2006


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