14.01.2002 18:43:00 MEZ
"Es hat keinen Sinn, bei temporären Objekten zu leiden"
Architekt Adolf Krischanitz über sein neues "project space", Pavillons, eine Werkschau und den Vergleich Berlin-Wien

Wien - Adolf Krischanitz, seit 1992 Architektur-Professor in Berlin, ist dieser Tage in Wien viel beschäftigt. Der Anlass: Am Donnerstag, den 17.Jänner, eröffnet der 1945 in Schwarzach/Pongau geborene Architekt am Karlsplatz - in Sichtweite seines Ateliers - an der Stelle der 1991 von ihm errichteten und kürzlich abgetragenen Kunsthalle Wien den "project space" genannten transparenten Glaskubus, der 250 Quadratmeter Ausstellungsfläche, einen Veranstaltungsraum und ein Cafe-Restaurant beherbergt, mit einer kleinen Werkschau über "Die Pavillons des Adolf Krischanitz".

Foto: APA/Lukas Beck/PR
Architekt Adolf Krischanitz und Gerald Matt, Direktor der Kunsthalle Wien, vor dem "project space"

Neben den Pavillon-Projekten (neben den der Kunsthalle auch der Traisen-Pavillon in St. Pölten und der Österreich-Pavillon auf der Frankfurter Buchmesse) zeigt Adolf Krischanitz in seiner kleinen Ausstellung im "project space" auch die Pläne für das Tauernbahnmuseum in Schwarzach/St.Veit, das Ende des Jahres eröffnet werden soll, das Projekt Ankerhof auf der Wiener Mariahilfer Straße, das sich im Einreichstadium befindet, sowie das gescheiterte Projekt "Wolkenspange", das im Bereich Urban-Loritz-Platz in fünf bis neun Meter Höhe den Gürtel gequert hätte und vom Fachbeirat abgelehnt wurde.

Vergleich Berlin-Wien

"Berlin ist vom Bauen her relativ konservativ, und es geht ihnen auch langsam das Geld aus", analysiert Krischanitz in einem Gespräch die Lage der Großbaustelle Berlin. Am Potsdamer Platz registriert er "Pseudo-Modernismen, die nichts anderes sind als riesige Einkaufszentren", in der ganzen Stadt fehlenden "Platz für Qualität" und "zähnebleckenden Investorenwahnsinn".

Doch auch Wien, das "kunstmäßig sicher eine der interessantesten Städte" sei, hätte architektonisch "keinen Grund zur Euphorie". Die neuen Hochhäuser wären "in der Regel ziemlich schlampig geplant" Das Museumsquartier hält Krischanitz für "nicht hervorragend - was aber weniger an den Architekten als an den Auftraggebern liegt, die nicht recht gewusst haben, was sie wollten - aber auch nicht so schlecht, wie die Leute glauben. Es ist eine Chance. Es kommt darauf an, wie man es bespielt. Möglicherweise fehlt doch die richtige Mischung mit einer kommerziellen Nutzung. Aber man muss abwarten. Zehn Jahre sind da nichts."

Dritte Version der Kunsthalle

"Ich habe damit gerechnet, dass die Kunsthalle wieder abgetragen werden muss. Sie war ja immer als Provisorium gedacht und hatte, da sie mehr als doppelt so lang als ursprünglich vorgesehen gestanden ist, ihre Halbwertszeit auch längst überschritten." Dass für "die dritte Version der Kunsthalle", deren Erstversion für die Ausstellung "Von der Natur in der Kunst" als Halle in der (Winterreit-)Halle diente, nicht wie vorgesehen die alten Stahlträger verwendet wurden, hat nichts mit dem Zahn der Zeit zu tun: "Der Stahlpreis ist so runter gegangen, dass uns Recycling teurer gekommen wäre als das Verwenden neuer Träger."

Der alte, einst heftig umstrittene Container der Kunsthalle wird übrigens nicht, wie kurzfristig überlegt, bei der Universität für Angewandte Kunst aufgestellt, sondern wurde schließlich an die Abbruchfirma verkauft - was die Abrisskosten reduzierte. Ob die Halle verschrottet oder irgendwo als Lagerhalle verwendet wird ("in dem Fall werden sie sicher ein Satteldach draufmachen", lacht Krischanitz), weiß der Architekt nicht. Es interessiert ihn auch nicht wirklich. Auch seine Pavillons für Frankfurt und St. Pölten erlitten bereits ein ähnliches Schicksal: Da sich kein Käufer fand, wurden sie vom Aufsteller bzw. vom Abbruchunternehmen selbst verwertet. Für Krischanitz kein Problem: "Es hat keinen Sinn, bei temporären Objekten zu leiden".

Appell für temporären Touch

"Man will natürlich immer ganz fix und ganz groß bauen", gibt der Architekt, zu dessen prominentesten Bauten die Kunsthalle Krems, die Neue Welt Schule im Wiener Prater und die Lauder Chabad Schule im Wiener Augarten zählen, unumwunden zu. Schließlich habe der Architekt bei temporären Bauten mehr Stress und - auf Grund der geringeren Bausumme - meist weniger Verdienst, dafür ein hohes Maß an Aufmerksamkeit: "Pavillons stehen eigentlich immer am falschen Ort. Das müssen sie, um zu funktionieren. Insofern war auch bei der Kunsthalle der damalige Skandal durchaus in meinem Sinn. Die Gefahr war damals nur, dass die Kulturstadträtin Pasterk das nicht durchstehen würde."

Architektur auf Zeit (auch der neue "project space" ist vorläufig nur auf zehn Jahre genehmigt), wäre rascher herstellbar, von den Widmungen her rascher durchzusetzen und ermögliche so Schnellinterventionen im Stadtraum, die immer wichtiger würden, meint Krischanitz: "Das Bauen für die sprichwörtliche Ewigkeit werde immer weniger den heutigen urbanen Bedürfnissen gerecht. Speziell für die Kunst ist ein temporärer Touch ja oft besser als spätbürgerliche Gediegenheit. Außerdem baut man, wenn's für die 'Ewigkeit' gedacht ist, alles mögliche ein, was sich später wieder als falsch herausstellt." In zehn Jahren wird es den "project space" dann möglicherweise gar nicht mehr geben. Bis dahin verspricht die Kunsthalle dort jedenfalls ein "zeitgenössisches Fenster einer mit Traditionen vollgesaugten Stadt" (Pressetext) zu öffnen, eine "Abteilung Forschung und Entwicklung", einen "Ort, der wie eine Trägerrakete junge Kunst in den internationalen Orbit schießen soll" (Kunsthallen-Leiter Gerald Matt). Am 14. Februar folgt die erste Ausstellung nach der neuen Programmatik: "Kim Sooja: A Needle Woman" heißt die Rauminstallation einer jungen koreanischen Künstlerin, die mit Stoffen ebenso arbeitet wie mit Video. (APA)


Quelle: © derStandard.at