Ewig währt halt am längsten
Von Claudia Aigner
Seine Mutter teilt jetzt im Grunde genommen das Schicksal
einer Gelse im Bernsteintropfen und die Eisläufer, die er künstlerisch
weiterverwendet hat, sind nun irgendwie mit dem Tiefkühl-Tiroler Ötzi
wahlverwandt. Aber nein, Kurt Straznicky (bis 17. Februar in der Galerie
Atrium ed Arte, Lerchenfelder Straße 31) hat nichts Ungebührliches getan.
Er ist ja kein "Konservierungspsychopath", der sich daheim mit
gefriergetrockneten Mumien, die Eislaufschuhe anhaben, oder mit
paläontologisch "aufbereiteten" Familienmitgliedern umgibt. Er nutzt
stattdessen das Verewigungsmedium Fotografie, kopiert Fotos auf
Transparentfolie und gießt diese dann in Kunstharz ein. Und seine
"Fossilien" gräbt er eben in Fremdenverkehrsprospekten oder im eigenen
Familienalbum aus. Oder auf dem Friedhof. Das ist wieder nichts
Unschickliches. Straznicky hat Fotomedaillons auf Grabsteinen fotografiert
und die Gesichter von den "Toten in der Blüte ihres Lebens" sauber ins
Harz getunkt. Seine Kunst ist eine sinnlich-besinnliche Erinnerungsarbeit,
bei der er, auch durch die Kombination mit Holz oder Draht, die
Materialreize des Harzes auszukosten versteht. Wenn er beim
Erinnerungsfoto an seine Mutter im Zöpfchenalter auf Nummer Sicher geht
und nicht nur mit Harz, sondern auch noch mit Draht jeden Fluchtversuch
von vornherein vereitelt, dann sowieso nicht deshalb, um die Kindheit
seiner Mutter für einen neuerlichen Gebrauch "einzurexen". Und es ist wohl
auch weniger ein Versuch, die Zeit aufzuhalten und festzuzurren, als ein
Versuch, die Erinnerung am Verblassen zu hindern. Und bevor ich jetzt noch
pathetisch werde, hör ich lieber auf. Richard Nonas ist dafür bekannt,
dass er seinen Steinen keine Gesichter aufmalen muss, um ihnen
Persönlichkeit einzuhauchen. In der Galerie Winter (Breite Gasse 17), wo
es noch bis 24. Februar um Steine und Sterne geht, lässt er 16
unbearbeitete Steine in Zweierreihen dermaßen feierlich "aufmarschieren",
dass man es schon für eine Prozession halten muss. Und die Steinsbrocken
halten regelrecht Händchen. Auf Michael Höpfners steinigen Islandfotos
daneben ist es nicht deshalb so dunkel, weil die Sonne so hoch im Norden
halt eine Energiesparbirne ist oder weil die Götterdämmerung eingesetzt
hat. Es dürfte fototechnische Ursachen haben. Damit ist es Höpfner
gelungen, die mythische Aura einer finsteren, abgelegenen Gegend, "wo sich
Brünhilde und Siegfried Gute Nacht sagen", herauszuarbeiten (mit dem
ganzen grafischen Spielraum, den ein schroffes Terrain der
Schwarzweiß-Fotografie bietet). Und Lawrence Weiner malt mit seinen auf
die Wand geklebten Wörtern ein beinah romantisches Landschaftsbild:
"rolling stones adorned with starlight. more or less" ("Rollende Steine
von Sternenlicht angestrahlt. Mehr oder weniger"). Natürlich kann man da
auch eine "Freiland-Disco für Steine" imaginieren (Steine kugeln unter dem
Sternenhimmel herum, weil sie ja keine Füße haben, um zu tanzen). Ob
Weiners Bild bzw. Skulptur gut ist? Ich ziehe mich aus der Affäre und
sage: Das kommt auf das Vorstellungsvermögen des Betrachters an. Und
bei Birgit Jürgenssen ist der Himmel wie ein Duschgel voller Sternderln
und jemand hat ihn mit dem Finger einmal umgerührt. Eine mitreißende
Geste.
Erschienen am: 09.02.2001 |
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