Erste Sonderschau im umgebauten Ferdinandeum
Sehnsucht nach dem Paradies
Von Krista Hauser
Vier pralle weibliche Akte am Meer, gemalt 1921 von Pablo
Picasso, Paul Gauguins "Tahitische Frau" in glühender Landschaft, dazu Max
Pechsteins Gemälde "Früher Morgen", ein ruhender Akt, Symbol für Harmonie
von Mensch und Natur: Grafiken und Gemälde mit internationalem Flair im
Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum. Mit dem "Frühen Morgen" wird für die
hochkarätige Ausstellung "In freier Natur - Von Cézanne bis Picasso"
geworben, die erste Sonderschau nach der Wiedereröffnung des Hauses. Sie
passt so recht zum heißen Innsbrucker Sommer, garantiert Besucherzahlen
und versöhnt heimische Kunstfans, die sich mit dem kühlen Ambiente der
neuen Museumsräume nicht ganz anfreunden können. Den 80 Ölbildern,
Zeichnungen, Aquarellen, Lithografien und Fotos aus internationalen
Sammlungen tut indes der minimalistische Rahmen, auch die lockere Hängung
gut. Wie sich Künstler der klassischen Moderne in den Jahren 1880 bis 1930
dem Thema Mensch und Natur, Mensch und Landschaft stellten, ist immer noch
spannend, aufregend. Malen unter freiem Himmel, das Flüchtige,
Zufällige, Beiläufige festzuhalten, war zunächst ein Protest gegen die
Historien- und Salonmalerei des 19. Jahrhunderts. Was der Pariser
Gesellschaft fürs erste keineswegs gefiel. Der Begriff Impressionismus,
der sich von Monets Bild "Eindruck der aufgehenden Sonne" herleitete, galt
als Schimpfwort. Doch weder Monet noch Renoir, Sisley oder Cézanne ließen
sich verunsichern, sie arbeiteten weiter, spürten dem Wechsel des Lichtes,
dem Spiel der Farben, einer sich ständig ändernden Atmosphäre in der Natur
nach. Zeitgenossen, auch viele jüngere Künstler in Holland, Deutschland,
Österreich und der Schweiz folgten den Franzosen, schlossen sich zu
Künstlergruppen wie dem "Blauen Reiter" oder der "Brücke" zusammen,
verschrieben sich bestimmten -ismen: dem Pointillismus, Fauvismus,
Expressionismus . . . Im Ferdinandeum sind all diese Richtungen
vertreten, auch Maler und Grafiker des Symbolismus und Jugendstils.
Doch keine Angst vor einer kunsthistorischen Exkursion, hier wird
nicht chronologisch oder nach Stilen geordnet, sondern nach Sujets. Die
großen Themen: Mensch und Landschaft, Badende und Akte im Freien, Sport,
Spiel und Freizeit. Maler wie Wassily Kandinsky, Ernst Ludwig Kirchner,
Max Liebermann, Theodor von Hörmann oder Robert Delaunay waren zwar nicht
auf der Suche nach der "Blauen Blume" der Romantik, doch sie träumten von
irdischen und künstlichen Paradiesen, auch von der "Leichtigkeit des
Seins". Gegen die Hektik der wachsenden Großstädte am Beginn des 20.
Jahrhunderts, gegen die Macht der Technik und die Entfremdung des Menschen
malten sie ihre Gegenwelt, die sie in Parks und Gärten, in kleinen
Dörfern, am Meer oder in einsamer Landschaft fanden. Kandinsky hielt
seine Gefährtin Gabriele Münter vor ihrer Staffelei unter einem
Sonnenschirm im ländlichen Kallmütz fest, sie wiederum malte Kandinsky
gemeinsam mit Werefkin hingelagert in einer Blumenwiese unter einem
tiefblauen Himmel. Liebermann fing die Stimmung eines Münchner Biergartens
ein, auf einem anderen Bild die Freude an der Bewegung junger Burschen,
die ins Wasser stürmen. Verschämter wirken Paul Cézannes "Badende vor
einem Zelt", sechs Grazien umgeben von Bäumen, zwei davon bereits im
Teich, die anderen beim Auskleiden oder - nicht eben lustvoll - posierend.
Natürlich kann ein kleines Haus angesichts des weltweiten
Ausstellungsbooms und hoher Versicherungssummen nicht mit den Großen der
Szene konkurrieren, doch aus heimischen Sammlungen, aus München,
Stuttgart, Düsseldorf, Essen und Hamburg, aus Basel, St. Gallen und
Winthertur kamen feine Exponate. Und was überrascht: das Nationalmuseum
Belgrad schickte Bilder von Gauguin, Sisley, Kandinsky und Delaunay nach
Tirol. Aus Privatbesitz stammt eine Ölminiatur von Pierre-Auguste Renoir:
zwei junge Mädchen in duftigen Gewändern an einem kleinen Gewässer,
abgewandt vom Blick des Betrachters scheinen sie beinahe in den Pflanzen
am Ufer zu versinken. Passend zu diesem und ähnlichen Bildern wird im
Katalog der Ausstellung Paul Klee zitiert: "Wir verstehen uns nicht mehr
als Gegenüber der Natur, wir sind selbst Teil der Auseinandersetzung
zwischen Mensch und Natur."
Erschienen am: 03.07.2003 |
. |
![]()
Quer durch Galerien
Erste Sonderschau im umgebauten Ferdinandeum
Galerie Winter: Arbeiten von D. Phelps
Fred Sandback 59- jährig gestorben
Karikaturmuseum Krems: Sebastian Krüger - "Showdown"
Regensburg: Ausstellung "1803. Wende in Europas Mitte"
Quer durch Galerien
Morak eröffnete Coreographic Centre Linz (CCL)
![](00058938-Dateien/aktuell.gif)
![]()
![]()
![]()
![](00058938-Dateien/literatur.gif)
![]()
![]()
![]()
|
. |