Performative Künste

Unter dem Titel "Fokus 01" zeigt das Museum moderner Kunst Schwerpunkte seiner Sammlung der 60er Jahre.
Von Susanne Rohringer.


Das Museum für moderne Kunst Stiftung Ludwig öffnet nun nach längere Schließzeit wieder seine Pforten. Die Eröffnungsausstellung im neuen Haus widmet sich den performativen Kunstströmungen der sechziger Jahre wie dem Wiener Aktionismus, der Fluxus-Bewegung, dem französischen Nouveau Réalisme und der Pop Art.

Fluxus

Unter dem Begriff Fluxus, der von George Maciunas geprägt wurde, versammelten sich in Deutschland und den USA Künstler die danach strebten, Kunst mit dem alltäglichem Leben zu verbinden. Wolf Vostell, Joseph Beuys, John Cage und Arthur Köpcke kreierten künstlerisches Material, das sich kaum in Produkten ausdrückte als vielmehr Szenerien schuf. Es handelte sich um oftmals um triviale Objekte und Ideen die vom Publikum benützt werden sollten. So finden sich in ihrem Repertoire Spiele, Regieanleitungen, Partituren und verfremdete Musikinstrumente.

Früher Paik

Nam June Paik,
Nam June Paik, "Zen for Walking", 1961 / ©Bild: Lisa Rastl, mumok

In nachhinein sind solche Happenings und Performances schwer zu dokumentieren. Meist sind nur Video oder die Fotodokumente erhalten, die ihm mumok neben zahlreichen Archivmaterial zu sehen sind. Das Frühwerk von Nam June Paik dokumentiert die spektakulären Happenings der Fluxus-Bewegung mit ihren Paradigmen der Instabilität, der Veränderung und des Zufalls. Das "Klavier Integral" war über Jahre Bestandteil von Paiks radikalen Aktionen und manifestiert seine Vision eines erweiterten Musikbegriffes und einer neuen Auffassung von Skulptur. Die frühen Experimente mit Fernsehen und Video machen Paik auch zum Begründer der Medienkunst.

Nouveau Réalistes

Die Kunst der Nouveaux Réalistes benutzte Materialien des Alltags: Schrottläden, Baustellen und Supermärkte wurden zum Fundort für Objekte, die in einen künstlerischen Kontext überführt wurden, ohne jedoch ihr Eigenleben, ihre Herkunft und Geschichte zu verlieren. Indem Christo Konsumgegenstände verhüllte und so dem neugierigen Blick entzog, ironisierte er die Produktästhetik der kommerziellen Warenwelt. Für den Sammler Hahn inszenierte Daniel Spoerri ein Abendessen mit dem Ziel, die verderblichen Überreste zum Kunstwerk zu erhöhen. Hahn ließ sich seine Kunstsammlung vom Kölner Galeristen Schmela zusammenstellen, der auch Fluxus Kunst ausstellte. Mit Raymond Hains "Décollagen", die abgerissene Plakate zeigen, finden schließlich auch Relikte der Straße Eingang in die Kunst.

Pop Art

Im Zuge der Gründung der Österreichischen Ludwig Stiftung im Jahr 1981 wurden Arbeiten der amerikanischen Pop Art in die Sammlung des mumok integriert. Pop Art entstand als Reaktion auf die erdrückende Dominanz des abstrakten Expressionismus bei amerikanischer Kritik und Publikum am Ende der 50er Jahre.

Robert Rauschenberg und Jasper Johns waren die ersten Maler die sich vom Bildgrund ablösten und mit Stoffbändern, Trivalobjekten und dicken Farbschichten die Bilder vom Tafelbildcharakter befreiten. Die sogenannten "Combines" (Paintings) Rauschenbergs spielten mit der assoziativen Zufälligkeit alltäglicher Bildmotive, der Überlagerung und Gleichwertigkeit heterogener Elemente.

Eine endgültige, fast aggressive Überhöhung einer banalen Ikonografie der Massenkultur findet sich in den Werken der Pop Art, wo die Grenzen von Trivial- und Hochkultur aufgehoben wurden. Die ungeschönte Realität und ihre massenmediale Präsenz wird in den Siebdrucken Andy Warhols mit schamloser Direktheit entblößt. Der Porträtierte erhält Warencharakter

Mit Claes Oldenburgs Mouse-Museum besitzt das mumok eines der humorvollsten Hauptwerke der Pop Art - eine begehbare Skulptur auf dem Grundriß einer schematisierten Mickey Mouse. Darin finden sich triviale Gegenstände des Alltags. Oldenburg präsentiert sie als "kulturelle Topografie der USA".

Wiener Aktionismus

Der wohl wichtigste Beitrag Österreichs zur internationalen Avantgarde der 60er Jahre ist der Wiener Aktionismus. Den Kern der Gruppe der Wiener Aktionisten bildeten Günter Brus, Otto Mühl, Hermann Nitsch und Rudolf Schwarzkogler. Bezüge gab es zu Arnulf Rainer und den Literaten der Wiener Gruppe. Gemeinsam war allen Künstlern die Suche nach neuen Ausdrucksformen jenseits des Tafelbildes. Es war eine Art verfrühte, hochpolitische, aber in der Kunst stattfindende 68er Revolte, die gegen bürgerliche Wertvorstellungen, die Fortsetzung von belasteten Nationalsozialisten in Forschung, Lehre und Politik, sowie gegen das klerikale Klima in Österreich antrat. Nicht zuletzt ging es um einen Enttabuisierung der Sexualität.

Günter Brus,
Günter Brus, "Selbstbemalung", 1964 / ©Bild: L. Hoffenreich, mumok

Es zeigten sich aber schon bald Differenzen im künstlerischen Ausdrucken der jeweiligen Protagonisten. Otto Mühl lebte in theatralischen Aktionen groteske, komische und obszöne Momente vor. Günter Brus führte zunächst einen informellen Malprozess weiter, den er dann mit Selbstbemalung und Selbstverletzung auf den Körper übertrug. Nitsch hingegen entwickelte über Jahrzehnte hinweg sein "Orgien-Mysterien-Theater". Dort rezitierte er Opfertexte und bediente sich des Fundus christlicher und mythologischer Formen. Das mumok hat die gesamte 20. Malaktion die 1987 in der Wiener Secession in den ehemaligen Hofstallungen des Museum Moderner Kunst neu inszeniert. Es ist eine der wenig vollständig dokumentierten Malaktionen Nitschs.

Tipp:

Die Ausstellung Rebellion und Aufbruch ist im Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien bis zum 26. Oktober 2003 zu sehen.

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