Zwangsjacke für den Kopf
Von Claudia Aigner
Ein erfolgreicher Ausbruchsversuch aus einem Kopftuch. (Na
ja, er ist zumindest jedes Mal so lange erfolgreich, bis das Kopftuch die
Ausbrecherin wieder einmal "ereilt".) Andere mögen in einer Zwangsjacke
stecken, Adriana Czernin hat es mit einem "Zwangskopftuch" zu tun. Im
Video "Verwicklungen" (zu sehen bis 3. März im Raum aktueller Kunst,
Eschenbachgasse 11) packt die gebürtige Bulgarin ihren Kopf nämlich so
gründlich ein wie Christo den Reichstag (mit dem Unterschied, dass der
Reichstag sich nicht wehren konnte). Und kämpft sich dann aus dem Kopftuch
wieder heraus. Das wird so oft wiederholt, dass es schon eine
Zwangshandlung ist. Und nicht zuletzt, weil Kopftücher Accessoires in den
Revieren von fanatischen "echten Männern" sind, ist das eine höchst
symbolträchtige Tat. Mit einer Vorliebe setzt sich Czernin in ihren
Videos einer Behinderung aus und nutzt ihre eingeschränkte
Bewegungsfreiheit auf eine Art, die man "tragikomischen
Slapstick-Feminismus" nennen möchte. In meinen Augen: eine herzeigbare
Sichtbarmachung des Patriarchats. Einmal hat sie die Schuhbänder ihrer
Schuhe miteinander verknotet und war gehbehindert. Wenn sie jetzt in einer
Wiese "ankert" (weil sie mit einem Fuß an einem Holzpflock angebunden ist)
und trotzdem das Tanzbein schwingt und sich dabei patschert um ballettöse
Grazie bemüht, dann ist sie "tanzbehindert". Czernin hat es geschafft,
trotzdem nicht banal zu sein. Sie hat sich ja nicht plakativ an den Herd
oder die Waschmaschine gekettet oder mit Handschellen an den Staubsauger
gefesselt. Sie führt "die Frau" in sinnbildhaften Situationen vor, lässt
aber auch "allgemeinmenschliche" Deutungen dieser Zwangslagen zu. Es war
aber vielleicht ungeschickt, dem Holzpfahl seine frappierende Ähnlichkeit
mit einer riesigen Zigarette "durchgehen" zu lassen. So könnte man auf die
Idee kommen, dass hier (auch in Anlehnung an den Kettenhund) eine
Kettenraucherin einen Tanz um den Glimmstängel veranstaltet. Adriana
Czernin hält das Thema von der Frau in Bedrängnis überzeugend in allen
Sparten ihrer Kunst durch. In einer scheinbar harmlosen,
lieblich-ornamentalen Zeichnung verliert sich eine Art Chamäleonfrau im
Blümchenmuster des Hintergrundes, wie ja quasi auch Frauen, die mit dem
selben Muster herumlaufen, das auch ihre Wohnzimmertapete hat, in ihrem
Wohnzimmer praktisch unauffindbar sind. Die Tapetenmuster-Dame (ein
Selbstporträt) wird überdies einen guten Chiropraktiker brauchen. So wie
sie in die Bildfläche hineingepfercht ist, muss sie sehr verspannt sein.
Erschienen am: 12.02.2001 |
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