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Kunstberichte

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Unterleib ohne Dame

Aufzählung (cai) Humor ist, wenn man trotzdem in den Keller geht. Na ja, das gilt zumindest für jene ernsten Personen, die prinzipiell nur dort unten lachen. In der Galerie Mauroner muss man sich aber derzeit eh nicht entscheiden: Zerkugelt man sich gleich, also noch im Parterre, oder hebt man sich das Haha für später auf? Denn gspaßig ist das hier sowieso nicht.

Höchstens vielleicht die behutsam überarbeiteten alten Fotos mit dem devoten Mann. Die sind schon ziemlich komisch. Der macht grad Urlaub vom Patriarchat. Jedenfalls verwickeln ihn ein paar kecke Dominas in ein "Hoppa, hoppa, Reiter", ohne dass sie ihm freilich die Grazie eines Lipizzaners entlocken können. Das schwarze Gewölbe hinten im Keller ist dann allerdings so makaber, würde da auch noch eine Kettensäge herumliegen, dann ginge das als Rekonstruktion einer Folterkammer durch, wo ein Kerl mit soziopathischer Persönlichkeitsstörung seinem frauenfeindlichen Hobby nachgeht: dem Frauenzerstückeln. (Sicher so einer, der als Bub der Barbie seiner Schwester Kaugummi in die Haare gepickt hat.)

Übel zugerichtete Schaufensterpuppen. Die hat natürlich kein perverser Serienkiller als Züchtigungsdummys benutzt (quasi zu Übungszwecken). Sondern Carmen Calvo war das. Eine Dame ohne Unterleib spielt da blinde Kuh. Sucht wohl ihre Beine. Der dazugehörige "Unterleib ohne Dame" ist sexuell massiv belästigt worden (von einem Presslufthammer?). Ein andermal klebt Calvo einfach ein Mieder, das viel hinter sich haben dürfte, auf einen Goldgrund. Ein Andachtsbild für Fetischisten. Calvo erschafft mit relativ einfachen Mitteln (und aus Dingen "mit Vergangenheit") Arbeiten zwischen obsessiver Gewalt und (brachialer) Anmut, die sich einprägen.

Galerie Mauroner

(Weihburggasse 26) Carmen Calvo Bis 15. November Di. – Fr.: 11 – 19 Uhr Sa.: 11 – 16 Uhr

Musik ohne Ton

Aufzählung (cai)"Deep Show" steht da auf dem Kasten mit den Gucklöchern. Klingt noch schamloser als "Peepshow". Ach nein: Da ist ja noch ein ganzer Ozean in der Mitte (den hab ich gar nicht gesehen): "Deep Sea Show". Tiefseeshow. Und was kriegt man geboten? Fesche Quallen, die kokett leuchten. Die flirten mit einem. Denn Bernd Weinmayer ist ein Meister darin, Glasobjekte (Kelche, Säulen, Getier) mit spektakulären Blitzen zu füllen. Die überschäumenden Bierhumpen beim Münchner Oktoberfest sind eben nicht die imposantesten Gefäße des Planeten. Marie-Christin Marschalek fordert daneben die Lichter in der Stadt des Walzers zum Tanz auf. Mit bewegter Kamera. Die erstaunlich musikalischen Fotos sind wie Notenblätter für eine kleine Wiener Nachtmusik. Oder ist die Kamera vielmehr ein Musikinstrument, das die Marschalek virtuos beherrscht, die sogar mehr Melodien im Repertoire hat als – diese penetrante Autoalarmanlage unter meinem Fenster, die mir grad wieder sechs Ständchen hintereinander gebracht hat?

Galerie MC Marschalek

(Amerlingstraße 17) Lights in Motion Bis 20. November Di. – Fr.: 11 – 18 Uhr Sa.: 11 – 15 Uhr

Hund ist geil

Aufzählung (cai)Sollte sich je ein Hund in die Kunstszene verirren, wird er wohl am ehesten Aktionist. Oder Kritiker. Marielis Seylers Fotoarbeiten machen tatsächlich mitunter einen verdächtig zerbissenen Eindruck. Hätte der Boxer der Künstlerin das Werk seines Frauerls wirklich "überarbeitet", würde das dem Begriff "Mischtechnik" eine ganz neue Dimension eröffnen. Und würde zum Thema passen (Gruppenbild mit Hund). Der spezielle Reiz ist das lebendige Papier, das sogar eine steif aufgereihte Großfamilie (sieben Menschen, drei Hunde, ein Hase) aufmuntert. Wer will, kann sich selber mit Hund oder Stofftier ablichten lassen (Motto: "Kunst ist geil"). Gut, das ist kurios.

Galerie Gans

(Kirchberggasse 4) Marielis Seyler Bis 18. November Di. – Fr.: 12 – 18 Uhr Sa.: 12 – 15 Uhr

Printausgabe vom Mittwoch, 12. November 2008

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