Die Ausstellung "Mind Expanders" zeigt im Mumok performative Körper – utopische Architekturen um ’68
Auch der Körper ist Architektur
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Echte Schnitte ins Fleisch, als Demonstration gegen die patriarchalische Ordnung
der Nachkriegszeit. Fotografie von Marina Abramoviæ, 1976. Foto: VBK Wien, 2008
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Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
Das Mumok tut das, was es durch seine Sammlungsbestände und Mitarbeiter
am besten kann: Es macht eine Werkschau zum Aktionismus und verbindet
diesen mit der utopischen Architektur der Sechzigerjahre.
Damals
bescheinigte Peter Cook – Kopf der Londoner Architekturavantgarde –
unserem Land ein "Austrian Phänomenon" und meinte damit Hans Hollein,
Walter Pichler und Raimund Abraham, die in der Galerie nächst St.
Stephan mit ihren utopischen Zeichnungen, Collagen und Modellen
auftraten.
Damals machten sich Architekten viele Gedanken, manche bauten nicht,
manche blieben dabei: Wie etwa Friedrich Achleitner, Architekt in der
sprachanalytischen "Wiener Gruppe." Im Team traten auch die Gruppen
"Coop Himmelb(l)au", "Missing Link" oder in Linz "Hausrucker" und in
Graz Günther Domenig und Eilfried Huth auf.
Dynamische Bewegung, Ballonräume und Helmgebilde waren ein
wesentlicher Bestandteil der Architektur. Die Gegensätze von
Maschinenkonstruktion und organischer Körperform zogen sich magisch an,
waren aber meist nur in Plastiken oder Sesseldesigns wie dem "Mind
Expander II" (von "Hausrucker") realisierbar. Das Querdenken zwischen
früher getrennten Kunstgattungen war angesagt und erweiterte auch
gesellschaftspolitische Grenzen. Die Kunst griff erstmals zu den neuen
Medien wie Film und Fotografie, um zu dokumentieren. Daneben gab es
wenig Malerei, aber viel an konzeptuellen Notizen auf Papier, erste
Kopien und Plakate.
Erweiterung des künstlerischen Denkens
Als die Blutorgel der Aktionisten dröhnte, das
Verschimmelungsmanifest und die Infusion für den verschmutzten Rhein
erste Umweltfragen auslösten, kam es zu einer Erweiterung
künstlerischen Denkens: Die Aktionistinnen Yoko Ono, Gina Pane oder
Marina Abramoviæ demonstrierten international ihre Verletzungen durch
die patriarchalische Ordnung der Nachkriegszeit mit echten Schnitten
ins Fleisch, ohne als psychische Fälle zu gelten. Von diesen Konzepten
zehren die Jüngeren immer noch.
Eine gute Entscheidung war die Konfrontation der Österreicher mit
den deutschen Künstlern Joseph Beuys oder Franz Erhard Walther.
Künstlerinnen – dabei nicht nur Maria Lassnig und Valie Export, sondern
auch Friederike Petzold oder Birgit Jürgenssen – kommen trotz
verbleibender Lücken zu musealen Ehren. Ironie ist dabei nicht nur in
den Arbeiten ein wichtiger Faktor: Diese performative "Antikunst" ist
ursprünglich nicht fürs Museum bestimmt gewesen, sondern richtete sich
vielmehr dagegen. Nützt nichts, wir archivieren es dennoch.
Ausstellung
Mumok: Mind Expanders Edelbert Köb, Rainer Fuchs, Tina Lipsky (Kuratoren) bis 30. August
Donnerstag, 24. Juli 2008
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