Lackdose? Nein: Laktose!
(cai) Ein kleiner Stabreim da und dort, das kommt immer
gut an. "Weia! Waga! Woge, du Welle!" – das treffendste Wischiwaschi,
das ich kenne. "Mast Mali" geht zur Not aber auch. (Der Wagner hätt’
uns mit so einer magren Alliteration freilich nicht
abgespeist.) "Mast Mali" – eine neue Diätverweigerung? Eine Stopfkur
mit Produkten aus dem fernen Mali? Nein. Ist Persisch. Bedeutet: gemalt
in Joghurt.
Ah, jetzt weiß ich endlich, warum man beim Schaufenster von der
Galerie Winter nicht mehr reinsieht. Nicht weil es schon so lang nicht
geputzt worden ist, nein: wegen der Hinterglasmalerei mit Joghurt!
Personen mit Laktoseintoleranz dürfen die Scheibe halt nicht
abschlecken, auf der übrigens "Mast Mali" in arabischer Schrift steht.
Banal? Ja, aber poetisch. Als würde man auf ein Tafelbild
kalligrafieren: "Öl auf Leinwand" – in Sanskrit. Drinnen in der
Galerie: eine fast unsichtbare Hommage an die Schwerkraft. Weil
Jonathan Quinn ein Großmeister des Unscheinbaren ist, das sich bei
geduldiger Betrachtung als gewaltige Ingenieursleistung entpuppt. Als
leibhaftiger Superlativ. Spinnweben sind ja bereits beeindruckend, aber wenn einer eine halberte Wohnzimmereinrichtung zusammenspinnt . . .
Ein Sofa, zwei Fauteuils als Zeichnung im Raum. Oranges Garn und
viele, viele farblose Hilfsfäden. Ein ausgeklügeltes System, von
Gewichten stabilisiert, die mobileartig vom Plafond baumeln. Quinn
hätte sicher auch Äpfel stattdessen nehmen können. Doch so
viel Newton auf einmal, dem ja ein Apfel die Gravitation erklärt hat,
wie wär’ das auszuhalten?! Neugierige, die dem mysteriösen Flimmern
hinter der Strukturglastür ganz hinten nicht widerstehen können und
partout an diesen Ort der Verheißung wollen, können sich ja nach
Gummimenschenart über die Fäden quälen. Rentieren tut sich’s nicht . Ist bloß ein Fernseher.
Galerie Winter
(Breite Gasse 17)
Jonathan Quinn
Bis 13. Oktober
Di. bis Fr. 11 bis 18 Uhr
Sa. 11 bis 14 Uhr
Fast einschüchternd.
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Maßlos untertrieben
(cai) Ein Erbsenzähler ist Jirí Kovanda eher nicht. Die Anzahl der
Hülsenfrüchte kann er trotzdem eruiert haben, die er unlängst vor der
Galerie Krobath Wimmer quer über den Gehsteig gelegt hat, wie
aufgefädelt, um die irritierten Passanten zu beobachten. (Vermutlich
war das der surreale Höhepunkt ihres ganzen Tages.) Ein soziologisches
Experiment? Kovandas komplette Kunst seit den 1970ern ist womöglich
nichts anderes. Wenn er schäbige Holzplatten dezent, aber handfest (und
liebenswert "patschert") bearbeitet, ist das dann der lapidare Humor
eines schelmischen Minimalisten? Sind das alles Karikaturen des
minimalen Kunstwerks, das immer so maßlos untertreiben muss? Und wenn
ich jetzt schüchtern lache, tu ich das dann aus purer Verzweiflung oder
weil ich die Pointe verstanden habe? Ich hoffe Letzteres.
Krobath Wimmer
(Eschenbachgasse 9)
Jirí Kovanda
Bis 3. November
Di. bis Fr. 13 bis 18 Uhr
Sa. 11 bis 15 Uhr
Jedenfalls konsequent.
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Der Karton ist willig
(cai) Was Hänsel und Gretel mit dem Lebkuchenhaus angestellt haben,
das war harmlos. (Ihr Knusper-knusper-knäuschen-Vandalismus.) Da lebt
Stephan Hafner viel deftigere Erosionsfantasien aus. Allerdings fällt
er bloß über Schachteln her. Macht aus ihnen Abbruchhäuser.
Mit bemerkenswerter Liebe zum detailreichen Ruinieren. Aussehen tun sie
wie nach diversen Abrissbirnen-Crashtests. Gschmackiger Kaputtismus.
Den Hafner hat wirklich der Furor des Bastelns gepackt. Der Karton ist
willig und auch die Schere ist scharf. Vielleicht ist ja der Klebstoff
schuld. Mit seinen süchtig machenden Dämpfen. Sogar in seinen Bildern,
getränkt mit stimmungsvollen "Psychofarben", muss der Hafner kleben. Da
pickt er traurige Reklamefetzen auf einsame Plakatwände in der Pampa.
Galerie Lang
(Seilerstätte 16)
Stephan Hafner
Bis 13. Oktober
Di. bis Fr. 12 bis 18 Uhr
Sa. 11 bis 16 Uhr
Schön deprimierend.
Mittwoch, 26. September 2007