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20.02.2006 - Kultur&Medien / Kultur News | ![]() |
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Tanzende Frauen, stampfende Lokomotiven | ![]() |
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VON BARBARA ZEMAN | ![]() |
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Kunstgeschichte. Im frühen 20. Jahrhundert entstand in Wien eine später vergessene Stilrichtung: Kinetismus. | ![]() |
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M "Der Wiener Kinetismus ist eine der bedeutendsten
Kunstrichtungen Österreichs im frühen 20. Jahrhundert, eine, die sich
mit den internationalen Avantgarden der Zeit messen kann. In Österreich
erinnert man sich vorzugsweise an Klimt, Schiele und Kokoschka. Was
daneben existierte, ist im Bewusstsein der Öffentlichkeit kaum verankert",
berichtet Matzer über die vergessene Richtung. Sie war auch klein,
umfasste im engeren Kreis zehn Studentinnen. Entstanden ist der Kinetismus
unter Franz Cizek, einem viel gerühmten Pädagogen, der an der
Kunstgewerbeschule unter anderem My Ullmann, Erika Giovanna Klien und
Elisabeth Karlinsky unterrichtete, die die bekanntesten Vertreterinnen
wurden. Der charismatische Böhme mit seinem dicken Schnauzbart
leitete den "Kurs für ornamentale Formenlehre". Er unterrichtete nicht
frontal, sondern ließ seinen Schülern ungewöhnlich viel Freiraum, es wurde
Musik gehört, Theater gespielt, und die Studentinnen konnten zeichnen, was
sie wollten. Aus dieser Atmosphäre des Laissez-faire entwickelte sich
gegen 1920, was 1922 den Namen Kinetismus - von "kinesis", Bewegung -
erhielt. "Interessant ist, dass der Wiener Kinetismus vor allem von Frauen
getragen wurde, da die Kunstgewerbeschule im Gegensatz zur Akademie am
Schillerplatz von Anfang an auch Frauen aufnahm", so Matzer. Die oft sehr
jungen Studentinnen - um die 16 Jahre - stammten fast ausschließlich aus
dem Bürgertum, das sich das hohe Schulgeld leisten konnte. Geboten wurde
dafür eine Ausbildung in Sticken, Blumen- und Ornamentmalerei, Akt gab es
lange nicht. "Für die Frauen wäre es moralisch verderblich gewesen, hieß
das Argument", schmunzelt Matzer. "Wurfgeschosse" nennt sie die drei
Exzentrikerinnen, die sich als theatralische Figuren inszenierten, allen
voran Erika Giovanna Klien, die fast von der Schule geflogen wäre, weil
sie einen - sie belästigenden - Kollegen per Metalllineal in die Schranken
wies. Ullmann, Karlinsky und Klien versuchten sich unter Cizek
in einer neuen Aufschlüsselung von Bewegungsabläufen. Tanzende Frauen und
vor sich hinstampfende Lokomotiven waren beliebte Sujets, die von
Expressionismus, Kubismus, Futurismus und Konstruktivismus beeinflusst
waren. Die Kinetistinnen liebten Ausdruckstanz, Klien war bei
Nackttanz-Vorführungen des Berliner Starlets Anita Berber und ließ die
Eindrücke auch in ihre Bilder einfließen. Nicht nur Grafiken und Ölmalereien wurden angefertigt,
die jungen Frauen und wenigen Männer durchliefen eine umfassende Schulung
und fertigten auch Modeentwürfe und Stoffmusterskizzen an. Klien, die
bekannteste der drei, gestaltete Bucheinbände im Stil des russischen
Konstruktivismus: Rote Ringe, schwarze Stäbe, dazwischen die
Titel-Buchstaben ausgebreitet. Klien hielt ihrem Lehrer Cizek ein Leben lang stilistisch
die Treue, blieb in engem Kontakt mit ihm, selbst als die innerhalb der
Kunstgewerbeschule mehr geduldete als geschätzte Klasse für ornamentale
Formenlehre 1925 aufgelöst - und damit ein administrativer Schlussstrich
unter den Wiener Kinetismus gesetzt wurde. Ullmann und Karlinsky
verfolgten bald getrennte Wege. Klien ging nach New York, Karlinsky zuerst
ebenfalls in die USA und letztlich nach Dänemark, Ullmann in die Schweiz
und nach Deutschland. Der Kontakt zwischen den Dreien riss ab. Alle waren
damals gegen Ende 20, ambitioniert und fest entschlossen von ihren Werken
leben zu wollen. Das Wien der Zwischenkriegszeit war wegen Inflation und
politischer Polarisierung aber nicht das Terrain, auf dem man als
avantgardistische Künstlerin reüssieren konnte. |
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