02. Dezember 2009 - 00:04 Uhr · Von Bernhard Lichtenberger · Kultur

Linz09: Abgerechnet wird nicht zum Schluss

Linz09-Erinnerungen
30 Tage, bevor mit dem Silvesterfeuerwerk das Kapitel Kulturhauptstadt offiziell geschlossen wird, zogen die künstlerischen und politischen Verantwortlichen für Linz09 gestern im Kepler Salon beizeiten Bilanz.

Die Messlatte, die Erfolg oder Missgeschick anzeigen soll, wird bevorzugt an Graz angelegt, das sich 2003 mit dem Titel Kulturhauptstadt schmückte. Die steirische Metropole hatte damals 62 Millionen Euro zu vergeben, aus dem Linzer Füllhorn flossen rund 70,5 Millionen Euro, das nicht zur Neige geht. 806.000 Euro wurden als eiserne Reserve in den Wirtschaftsplan für 2010 eingestellt, bis alle Projekte abgerechnet sind.

Bis Jahresende rechnet die Stadt an der Donau mit 2,8 Millionen Programm-Besuchern (plus 600.000 aus den Aufwärm-Jahren 2006 bis 2008), rund um die Mur wurden vor sechs Jahren 2,851.060 Gäste gezählt. Linzer Magnet war der Trilogie-Abschluss „Höhenrausch“ mit dem markanten Riesenrad über den Dächern, der 272.860 Menschen anzog, in Graz fanden 116.000 Leute den Weg ins Schloss Eggenberg zu „Der Turmbau zu Babel“.

Weit vor Wien und Salzburg

Bis Ende Oktober verzeichnete Linz09 mit 638.097 Nächtigungen ein Plus von 11,4 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres, die Grazer Beherbergungsbetriebe schlossen 2003 mit 728.473 Nächtigungen (plus 24,8 Prozent zu 2002) ab. Wobei Linz die Auswirkungen der Wirtschaftskrise zu schaffen machten, der Geschäftstourismus einbrach und die Kulturhauptstadt rettete, was zu retten war.

Andere Landeshauptstädte können von einem Plus nur träumen: in Graz gingen die Nächtigungen um 1,8 Prozent zurück, Salzburg und Wien beklagen ein Minus von 3,2 bzw. 4,6 Prozent. Nach Märkten verzeichnete Linz die größten Zuwächse aus der Schweiz (+ 26,8 Prozent), Tschechien (+ 24,8 Prozent), Österreich (+ 22,9 Prozent), Deutschland (+ 17,5 Prozent) und Italien (+ 5,7 Prozent).

Linz09 als Rollenmodell

„Es war mutig und wichtig, das Jahr mit einem Blick in die Vergangenheit zu eröffnen, mit der Ausstellung ,Kulturhauptstadt des Führers’“, sagt Kulturministerin Claudia Schmied, die aus Brüssel die EU-Meinung mitbrachte, dass „Linz neue Maßstäbe gesetzt hat“ und als Rollenmodell für eine erfolgreiche Kulturhauptstadt gesehen werde. Ihr gefiel auch „die klare Schwerpunktsetzung im Bereich der Vermittlung, in der Kooperation mit Schulen. ,I Like To Move It Move It’ ist Nachhaltigkeit im edelsten Sinn.“

Linz09-Intendant Martin Heller zeigte sich im Hinblick auf die erreichten Zahlen mit breiter Brust. „Wir sind auf ein neugieriges Publikum getroffen, dem wir viel mitgeben konnten. Die Menschen haben sich auf neue Formate und Spielstätten eingelassen.“ Ungewöhnliche Allianzen hätten gezeigt, dass etwa Kultur und Tourismus keine Gegensätze sein müssen.

Und was bleibt?

Was bleibt? Die am häufigsten gestellte Frage im ausklingenden Jahr kann noch nicht beantwortet werden. Bekenntnisse wurden geäußert: zum prächtig angenommenen Wissenszirkel im Kepler Salon, zum Akustikon, der „Welt des Hörens“ im Verbund mit der gesellschaftspolitischen Vision Hörstadt, zum Schul-Kreativitätsmodell „I Like To Move It Move It“.

Weitergeführt wird die bewusstseinserweiternde Einsiedelei über dem Geläut des Mariendoms – wobei künftige Turmeremiten ihre einwöchige Einsamkeit mit 560 Euro zu bezahlen haben. Eine Zukunft soll es auch für die „Pixelhotels“ geben, die Stadträume für ein einmaliges Touristenerlebnis nützen.

Erfahrungen aus erfolgreichen Ideen wie „Höhenrausch“ oder „Bellevue“ gilt es in neue Vorhaben zu übersetzen, und natürlich müssen die ermöglichten Kulturbauten wie Museums-Südflügel oder AEC finanziell so ausgestattet werden, dass hinter glänzenden Hüllen ebensolche Füllungen bleiben.

Quelle: OÖNachrichten Zeitung
Artikel: http://www.nachrichten.at/nachrichten/kultur/art16,303163
© OÖNachrichten / Wimmer Medien 2008 · Wiederverwertung nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung