Warhol und die Scheinrealität
Trio. Warhol, Wool, Newman, drei bekannte amerikanische Künstler, eine Überzeugung: Bilder repräsentieren keine Wirklichkeiten.
MARTIN BEHR GRAZ (SN). Die exorbitant hohen Versicherungssummen lassen das Kunsthaus Graz zum Hochsicherheitstrakt werden, so strenge Sicherheitsvorkehrungen hat die blaue Blase an der Mur bislang noch nicht gesehen. Drei Stars der US-amerikanischen Kunst treffen dort jetzt aufeinander.
Werbegrafiker, Popstar, Kunstrevolutionär, Fädenspinner, Filmemacher, Veredler des Alltags und der Populärkultur: Andy Warhol, Mitbegründer der Pop-Art und Enfant terrible in New York, als Ausschweifungen noch zum Big Apple gehörten, steht im Zentrum der Ausstellung. Intendant Peter Pakesch hat eine „jahrelang gewachsene Idee“ realisiert und Arbeiten von Warhol mit jenen von Barnett Newman und Christopher Wool vernetzt.
„Warhol Wool Newman – Painting Real“, lautet der Titel der kostenintensiven Schau, die Beeinflussungen, Anregungen und Weiterentwicklungen zwischen den drei US-Künstlern verdeutlicht. „Andy Warhols Werk wäre etwa ohne die Anregungen Newmans nicht in dieser Weise vorstellbar, er setzt die newmansche Raumvorstellung in die mediale Wirklichkeit um“, erklärt Pakesch, der 22 Werke von Warhol aus internationalen Museen und Sammlungen nach Graz geholt hat.
Etliche Standardwerke aus der neueren Kunstgeschichte sind darunter, großformatige „Flowers“, zwei wunderschöne, von abstrakter Auflösung begriffene Exemplare der Serie „Big Electric Chair“, die „Licorice Marilyn“, „Twelve Jackies“ oder vier Beispiele der „Most Wanted Men“.
Der Einfluss von Newman auf den Sohn einer gebürtigen slowakischen Bauernfamilie, der den Geburtsnamen Andrej Warhola trug, wird beispielsweise in Arbeiten wie „Orange Car Crash“ deutlich, wenn die Siebdruckdarstellung auf großformatiger Monochromie platziert ist: raffinierte Farbraumgestaltung, die Emotionen weckt. Quasi ein visuelles Bindeglied zwischen den Generationen und den OEuvres von Newman und Christopher Wool ist das Warhol-Bild „Blue Close Cover Before Striking“. Formale Gliederung wie Farbwahl verweisen auf den Meister des Colour Field Painting, die integrierten Worte wiederum nehmen laut Pakesch Wool und dessen Schablonenbuchstabenbilder vorweg.
„Helter Helter“, „Hole in Head“ oder „You make me“: Es sind plakative, eingängige Wortkombinationen, die Christopher Wool meist mit Emailfarbe auf Aluminium malt. Slogans, die aus der Medienrealität entrissen scheinen, oft Schlagzeilencharakter haben und damit wieder den Kreis zu Warhol schließen. Ganz offensichtlich eine Hommage an Warhol sind Wools Blütenbilder in Schwarz-Weiß.
„Painting Real“ ist eine Ausstellung mit großen Namen, die aber mehr ist als pure Repräsentation, sich nicht im kulturtouristischen Zweck erschöpft. Was sichtbar wird, ist etwa die Skepsis der drei Künstler, dem Bild Wirklichkeit zuzuschreiben. „Man könnte sie als Ikonoklasten bezeichnen, die Bilder lieben“, schreibt der Kunsthistoriker Hans Dieter Huber im Katalog. Alle drei hätten auf ihre Weise die Konventionen der bildhaften Darstellung angegriffen und zerstört: Das Bild wird selbstreferentiell, die Kunst ein Spiel mit Scheinrealitäten. „Warhol Wool Newman – Painting Real“. Ausstellung im Kunsthaus Graz, bis 10. Jänner 2010. Geöffnet Di.–So. 10–18 Uhr.