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„Man muss nicht fünf Stunden saufen“

01.01.2008 | 17:30 | BARBARA PETSCH (Die Presse)

Dieter Buchhart, Kunsthallen-Direktor in Krems, über Künstlerleben heute und die Genialität Romakos.

Die Initialzündung kam vom Vater. Er war Historiker, hatte auch Kunstgeschichte studiert. Seinen vierjährigen Sohn ließ er aus Büchern Werke erkennen. „Ich wollte immer etwas mit Kunst machen, aber ich habe trotzdem zuerst Biologie studiert“, erzählt Dieter Buchhart, seit 1. Jänner Direktor der Kunsthalle Krems: „Mich hat interessiert, was das Leben ist und wie die Naturwissenschaftler das sehen. Ich habe immer gewusst, dass ich das nicht zu meinem Beruf machen wollte. Ich habe außerdem gemerkt, dass ich ohne das Rüstzeug der Geisteswissenschaften nichts verstehen werde. Also habe ich Kunstgeschichte studiert.“ Beide Studien schloss er mit Promotion ab.

Er arbeitete als Publizist, Kurator – und Künstler: „Da habe ich keine Ausbildung. Vor 15 Jahren habe ich mit interaktiver Kunst angefangen. Sie als Besucher sind Teilnehmer in meinen interaktiven Installationen. Das hat zu Diskussionen geführt.“ Dem interaktiven Fernsehen gehöre die Zukunft, ist Buchhart überzeugt: „Bis das von den Zusehern übernommen wird, Sie mit Spielkonsole vorm TV sitzen, das dauert noch 30 Jahre. Aber es kommt. Fernsehen wird ein spielerisches Medium, mit dem man interagieren kann, natürlich immer auf Gewinn ausgerichtet. Das ist der Köder.“

Auf dem Kunstmarkt werden heutzutage enorme Profite erzielt. Wieso? „Das hat sicher mit Investment zu tun. Da ist auch Spekulation dabei. Die Preise von russischen Künstlern sind in die Höhe geschossen, damit Sammlungen in ihrem Wert steigen. Aber es gibt sicher noch andere Aspekte. Menschen schmücken sich mit zeitgenössischer Kunst, die früher ins Kunsthistorische Museum gegangen wären. Die Jüngeren sind mit Bilderfluten aufgewachsen. Diese Ver-Visualisierung könnte der bildenden Kunst eine gewissen Bevorzugung bringen. Obwohl bei den 30 plus ist das noch nicht gegeben. MTV war anfangs langsam, wenn man es mit heute vergleicht.“


Immer mehr Biennalen

Wohin entwickelt sich die Kunstszene? „Kunstmessen werden immer mehr zu Biennalen wie die Art Basel mit der Schiene Art Unlimited. Kunstmessen können zum Teil spannendere, größer dimensionierte Werke zeigen als die Biennalen. Die Biennalen verlieren aber nicht. Sie haben die Chance, Experimentelleres zu präsentieren und über Medien zu transportieren. Und das Publikum kommt. Die letzte Documenta hatte 750.000 Besucher.“ Kunst als Entertainment. „Ja, das ist immer der Vorwurf, Kunst als Entertainment, Luna Park, Show.“

Die nationalen Pavillons wie etwa in Venedig seien auf jeden Fall nicht mehr zeitgemäß, findet Buchhart: „Man ist gezwungen in einem österreichischen Pavillon österreichische Künstler zu pushen, einen israelischen oder amerikanischen Künstler dort auszustellen, ist schwierig. Das Ganze ist absurd, aber eben ein starkes Politikum.“

Was lockt einen Intellektuellen in die Kunsthalle Krems, die wohl auch die Wachau-Touristen bedienen muss – mit populären Ausstellungen? „Es ist mir bewusst, dass der touristische Aspekt wichtig ist. Je mehr Besucher eine Ausstellung hat, umso besser. Ich habe ein entspanntes Verhältnis zur Quote. Man kann qualitativ hochwertige Ausstellungen mit wissenschaftlichem Anspruch machen und sie verständlich aufbereiten, sodass sie Publikum anziehen. Ich sehe das nicht als Spagat. Ich möchte auf Qualität setzen und auf Präzision.“ Was hat man sich darunter vorzustellen?

„Ein Projekt, das wir planen, ist ,Munch und die Folgen‘: Munch hat Kokoschka inspiriert, Baselitz, Per Kirkeby, auch norwegische Künstler. Wir wollen die ultimative Ausstellung zu diesem Komplex machen. Ein weiteres Thema ist Romako. Das Belvedere hatte ihn 1992. Wir wollen etwas anderes zeigen. Es sollen die besten Werke von Romako zu sehen sein – und wir wollen ihn in der österreichischen Moderne verankern. Romako wird ebenso wie Makart unterschätzt. Manche seiner Bilder sind kitschig, andere sind genial und einzigartig. Wir werden Romako und Makart zeigen, ferner eine Gauguin-Ausstellung.“ Wird es da nicht schwierig sein, Leihgaben zu bekommen? „Wir haben keine Sammlung als Gegenwert, aber es gibt Kooperationsgespräche mit einem anderen Haus. Ich rechnet mit 60 Werken. Gauguin hat im Laufe seines Lebens eine Meisterschaft in fast jeder Technik erworben. Er hat z. B. ganz früh wunderschöne, feine Marmor-Porträts gehauen und kam so erst auf die Malerei. Er war der wichtigste Holzschneider im Sinne der Moderne und hat sogar Glaskunst gemacht.“


Der leere Raum der Moderne

Ein weiteres Vorhaben gilt dem leeren Raum, den Seelen-Räumen der Einsamkeit in den Bildern der Moderne. All diese Projekte sind für 2009 oder 2010. Wird man auch Buchharts Werke in der Kunsthalle Krems sehen? „Sicher nicht.“ Welche zeitgenössischen Künstler findet er gut? „Ich schätze Lois und Franziska Weinberger, Edgar Honetschläger, Marco Evaristti, der den Eisberg rot gemalt hat, Jeppe Hein, Olafur Eliasson, Mamma Anderson. Ich mag Maler, die überraschen, Besucher herausfordern.“

Künstler scheinen heute nüchterner, die Zeit romantischer Genies ist vorbei, vielleicht auch, weil der Markt kühle Karrierenplanung fordert. „Der romantische Schöpfer hat so oder so ausgedient“, meint Buchhart: „Das heißt aber nicht, dass Künstler nicht mehr für ihre Sache brennen. Man muss nicht unbedingt fünf Stunden saufen – und dann kommt plötzlich die Inspiration. Viele heutige Künstler stehen von früh um sechs bis abends im Atelier. Das ist ein ganz normaler Job. Es klingt beängstigend. Aber sie sind trotzdem sehr oft interessante Künstler.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.01.2008)


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