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28.04.2004 - Kultur&Medien / Ausstellung
Kritik Ausstellung: Kunst versteht Bahnhof
Mit "EU & You" wurde am Dienstag das größte Kunstprojekt des BKA zur EU-Erweiterung eröffnet. Ein Lokalaugenschein am Südbahnhof.

Groß und bunt ist es. Und irgendwie erinnern die langen gebündelten Holzlatten an das Gerüst für ein Indianerzelt. Jetzt würde man gerne eine Friedenspfeife rauchen mit dieser wohl gut gemeinten Ausstellung zur EU-Erweiterung auf der Ostbahnebene im Wiener Südbahnhof. Doch nichts will hier wirklich Feuer geben. Die Holzskulptur von Tibor Gáyor, 1937 in Ungarn geboren und in Wien lebend, zählt wenigstens noch zum Sichtbarsten von "EU & You", das die Initiative "KulturKontakt" im Auftrag des Bundeskanzleramtes betreut hat.

Zwölf Installationen von 15 Künstlern aus fünf Ländern werden zeitgleich in sieben Bahnhöfen in Österreich und vier Nachbarländern gezeigt. Einige Arbeiten sind in Ljubljana, Szombathely, Bratislava, Brünn, Graz und Villach zu sehen. Das gesamte Angebot findet sich nur am Wiener Südbahnhof. Ziemlich zentralistisch eigentlich.

Zwischen dem bekannten Wust an Werbetafeln, Ausstellungsplakaten und den sich hier über die Jahre angesammelten Dauer-Kunst-Installationen müssen die Künstler von "EU & You" gegen die Ignoranz der Eile ankämpfen. Großartig unterstützt werden sie dabei nicht: Mini-Schildchen verraten gerade einmal Künstlername und Titel. Am Boden picken hie und da "EU&You"-Sticker.

Mehr eine Herausforderung also für Durchreisende, in den Telefonzellen die sensibel fotografierten Alltags-Motive der jungen slowakischen Künstlerin Lucia Nimcová als Botschaft zu identifizieren. Weiter: Auf den mit Vorhängen dicht gemachten Fenstern eines Aufenthaltsraums kleben transparente Zeichnungen von Eva Eszter Bodnar. Ein Banner mit Tauben schmückt den Stiegenaufgang - nach der ursprünglichen Beschreibung Dóra Maurers hätten sie computeranimiert flattern sollen. Mit gelungener Interaktivität sticht die überzeugendste Installation heraus: Mit Kamera, Bildschirm und Live-Standleitung schaffen Zoltán Szegedy-Maszák und Márton Fernezelyi eine spielerische Verbindung zu den Bahnhöfen in Graz und Szombathely.

Mehrere Projekte holt die Realität ein: Der tschechische Konzept-Künstler Ivan Kafka wollte einen dunklen Transport-Waggon mit "böhmischen Tüten" in den Nationalfarben auslegen, steril bestrahlt von Neonröhren. Jetzt dämmern die Plastiksackerln im Tageslicht eines ausgeräumten Personenwagens, abgestellt auf Gleis eins. Zwei Tische blockieren von außen provisorisch den Zugang: "Bitte draußen bleiben."

Spätestens hier lässt man die Friedenspfeife endgültig sinken. Immerhin standen dem Renommierprojekt laut BKA stolze 500.000 Euro zur Verfügung. Das Grundkonzept "Kunst am Bahnhof" ist zu alt, um es heute noch so konventionell - und lieblos - füllen zu dürfen. Da hilft auch der kuratierende Wundername Weibel (Peter) nicht, um das offizielle kulturelle Erweiterungs-Feigenblatt zeitgeistig zu tarnen. Noch dazu sieht man, dass die Beteiligten nur sehr wenig Zeit hatten. Im März erst sollen konkretere Gespräche stattgefunden haben.

So wurden die besseren Künstler verheizt, manche haben sich gar nicht erst viel angetan - so verweist die slowenische Gruppe "Irwin" auf einem Leuchtkasten schlicht auf die Internetadresse ihrer altbekannten "East Art Map". Aber um die Tafel zu finden, bedarf es sowieso erst einer akribischen Bahnhofs-Inspektion. Am skurrilsten hat sich der im März als "EU-Informations-Pavillon" angekündigte Beitrag von Architekt Boris Podrecca entwickelt: Der Stand mutierte zur rostroten Plastik-Monumental-Skulptur, die sich auch örtlich vom Geschehen distanziert: Man findet das auf den Grundrissen Österreichs und der neuen EU-Nachbarländer basierende Designer-Ding einen Stock tiefer in der Kassenhalle.

Vielleicht hat das Extrakt von "EU & You" in den kleineren Bahnhöfen mehr Erfolg. Um das gleiche Geld hätte Weibel aber auch eine tolle Wander-Ausstellung, etwa mit den seit Jahren von "KulturKontakt" unterstützten zentraleuropäischen Künstlern, zusammenstellen können. Auch konventionell, aber immerhin kein Schnellschuss.

Bis 31. Mai. www.euandyou.net

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