Eine der berühmtesten europäischen Darstellungen der Regierung zeigt nicht
etwa Amtsträger bei der Ausübung ihrer Macht, sondern eine florierende Stadt
inmitten einer fruchtbaren Landschaft, und darin eine Gruppe tanzender Frauen.
Was der Maler jener spätmittelalterlichen Fresken im Rathaus von Siena bereits
im Auge hatte, brachte Michel Foucault in seinen Studien zur Gouvernementalité
später auf den Punkt: Regieren ist eine Form des Handelns, die andere
Handlungsräume (die Handlungsräume anderer) strukturiert. Diesem Konzept von
"Regierung" widmen sich Ausstellungen und Symposien, die bis Ende 2004 im
Kunstraum der Universität Lüneburg entwickelt und in transnationaler Kooperation
fortgeführt werden: im Sommer 2004 mit dem MACBA (Museu d'Art Contemporani
Barcelona), im Herbst 2004 mit dem Witte de With Center for Contemporary Art in
Rotterdam, und Anfang 2005 mit der Wiener Secession.
DIE REGIERUNG zeigt
Arbeiten zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler, die sich in
unterschiedlicher Weise Regierungsschauplätzen nähern. Das Spektrum reicht von
detaillierten Fallstudien politischer Handlungsspielräume (zum Beispiel in
Ost-Jerusalem oder im Baskenland) bis hin zur Auslotung der Möglichkeiten
ästhetischer Erfahrung unter gegenwärtigen Bedingungen. Zu den Anliegen von DIE
REGIERUNG zählt zudem die Einbindung von Publikumsgruppen in den Handlungsraum
"Ausstellung". Statt einen Parcours zu fixieren, werden die künstlerischen
Arbeiten deshalb in ständigem Wechsel gezeigt und im Rahmen unterschiedlicher
Diskurse adressiert.
In Lüneburg etwa provozieren die Umwandlung der
Hochschule in eine "Stiftungsuniversität" und die geplanten Fusionsprozesse im
Rahmen der so genannten "Hochschuloptimierung" Reflexionen über den realen
Charakter von "Autonomie" — einer mit Vorliebe gebrauchten Leerformel aktueller
Regierungsdiskurse. Wird die Freisetzung von etatistischen Zwängen durch neue,
noch ausgeprägtere Formen von Heteronomie und mit der warenförmigen Zurichtung
von Bildung erkauft? — Solche und ähnliche Fragen werden im Medium der
Ausstellung, das heisst in Konfrontation mit künstlerischen Wissensformen
aufgeworfen.
Konzept: Roger M. Buergel und Ruth Noack, in Zusammenarbeit mit Antke Engel
und Jorge Ribalta
und Nina Brodowski, Larissa Buchholz, Miren
Etxezzareta, Marlene Heidel, Sonja Parzefall, Sophia Prinz, Joan Roca i Albert,
Diethelm Stoller, Wanda Wieczorek und Ulf Wuggenig.
Mit
Ibon Aranberri (Bilbao), Maja Bajevic (Paris), Archiv Tucumán Arde
(betreut von Graciela Carnevale; in Zusammenarbeit mit Alice Creischer und
Andreas Siekmann), Alice Creischer (Berlin), Filmen von Maya Deren, Ines Doujak
(Wien), Patrick Faigenbaum (Paris), Harun Farocki (Berlin), Peter Friedl
(Johannesburg), Andrea Geyer (New York), Filmen von Jean-Luc Godard, Dmitry
Gutov (Moskau), Sanja Ivecovic (Zagreb), Emily Jacir (Ramallah/New York),
Jocelyne Lemaire-Darnaud (Le Pré Saint Gervais), Rainer Oldendorf (Paris), Lisl
Ponger (Wien), Florian Pumhösl (Wien), Alejandra Riera (Paris), Dierk Schmidt
(Berlin), Allan Sekula (Los Angeles), Andreas Siekmann (Berlin), Simon Wachsmuth
(Berlin), und anderen.
DIE REGIERUNG wird gefördert durch die Kulturstiftung des
Bundes und unterstützt von der Allianz
Kulturstiftung und vom Verein Zeitgenössiche Kunst e.V. Lüneburg.
DIE
REGIERUNG wird realisiert durch den Kunstraum der Universität Lüneburg in Kooperation mit dem Museu d'Art Contemporani de
Barcelona, der Wiener
Secession und dem Witte de With
Center for Contemporary Art Rotterdam.