derStandard.at | Kultur | Graz 2003

02.07.2003 22:37

Moderne zum Niederknien
Christian Eisenbergers "Kunsthalle K2" in Semriach

Wenn das Grazer Kunsthaus auch noch nicht eröffnet ist, so gibt es seit Februar in nur 30 Kilometer Entfernung ein solches: Christian Eisenbergers "Kunsthalle K2" in Semriach. Trotz kleiner Maße erwarb sie sich in Österreichs Kunstszene einen klingenden Namen.




Semriach/Wien - Wer Semriach nicht kennt, muss noch lange nicht als ungebildet gelten. Doch was nicht ist, könnte noch werden. Denn nach und nach findet dieser hinter dem Grazer Hausberg, dem Schöckl, gelegene Flecken Anschluss an die Gegenwart.

Vor allem mit ihrer ökonomischen Entwicklung wird diese einst beliebte Sommerfrische den aktuellen internationalen Maßstäben durchaus gerecht: Immerhin haben in den letzten Jahren das größte Wirtshaus am Marktplatz, der Fleischhauer und auch die Drogerie zugesperrt.

Dafür verfügt Semriach seit dem Februar dieses Jahres über etwas, das honorige Landeshauptstädte wie etwa Linz oder Klagenfurt erst später fertig stellten und für das die nicht ganz 30 Kilometer entfernte Kulturhauptstadt gerade weitere zwei Euromillionen zusammenkratzt, damit es wenigstens im Oktober aufgesperrt werden kann - ein Kunsthaus nämlich.



Kunstschachtel

Es trägt den stolzen Namen Kunsthalle K2, und dieser steht freilich im krassen Gegensatz zu seinen Dimensionen. Die Semriacher Kunsthalle K2 ist nämlich nicht viel größer als eine Schuhschachtel. (Für alle, die nachmessen wollen: 485 x 360 x 190 - Millimeter, wohlgemerkt!)

Ersonnen hat dieses Projekt unter der großen Linde am Marktplatz ein 25-jähriger Sohn dieses Ortes: Christian Eisenberger, zurzeit Student von Brigitte Kowanz an der Wiener Universität für angewandte Kunst.

Mit dem Namen "Halle" möchte Eisenberger einerseits den Eindruck von Weitläufigkeit wecken, die Chiffre "K2" hingegen gilt als diskreter Hinweis, dass es sich bei dieser Kunsthalle zweifellos nicht um die größte handelt. "K2" ist der kartografische Name des im Karakorum-Massiv gelegenen zweithöchsten Berges der Welt.

Der Innenraum ist weiß gestrichen, der Boden grau und die Außenflächen sind in einem Braunton gehalten. Wer allerdings die darin ausgestellten Objekte durch die gläsernen Sehschlitze betrachten möchte, muss wohl oder übel in die Knie gehen. Ein somatischer Imperativ, den Christian Eisenberger auch als Aufforderung zum geistigen Kniefall vor der Kunst versteht.

Auch wenn man es beim körperlichen Kniefall bewenden lassen möchte, so verdient sein alle sechs bis acht Wochen wechselndes Programm durchaus Respekt. Nach Christian Ruschitzka, der den Ausstellungsreigen eröffnete, folgte ein vom der Ironie und dem Humor nicht abgeneigten Künstlerkollektiv G.R.A.M. kuratierter Querschnitt durch die Moderne Kunst aus Österreich mit Werken von Attersee bis Zeppl-Sperl.

Unnötig zu sagen, dass die diversen Exponate von den Künstlern für die eigenwilligen Dimensionen dieser Kunsthalle adaptiert werden müssen. So hat auch Robert Adrian X seine Installation Kunst und Politik eigens für Semriach angefertigt. Ebenso wie Gottfried Bechtold seinen schon zum Mythos gewordenen Betonmercedes, vor dem die Besucher der Kunsthalle K2 gegenwärtig in die Knie gehen können, zur Miniatur reduziert hat.

Es scheint so, als würde Christian Eisenberger mit seinem subversiven Projekt auf viel Gegenliebe stoßen: Jedenfalls haben Timm Ulrichs und Raymond Pettibon auch schon ihre grundsätzliche Bereitschaft bekundet, Semriachs Kunsthalle mit ihren Arbeiten zu bestücken.

Der Grund für die breite Sympathie, auf die Christian Eisenbergers Kunsthalle stoßt, ist möglicherweise deren schrille Anonymität. Sie ist ebenso auffällig, wie sie unauffällig ist. Man könnte sagen, das Auffällige an ihr ist ihre Unauffälligkeit.

Und damit signalisiert sie genau das Wesen ihres Erbauers und Betreibers, der seine Anonymität so weit treibt, dass er sich nicht einmal abbilden lassen möchte. In wahren Exzessen der Unauffälligkeit infiltriert er Ausstellungen arrivierter Granden der Moderne mit eigenen Exponaten und freut sich diebisch, wenn die von ihm gelegten Kuckuckseier von den Betrachtern nicht als solche identifiziert werden.

Wer seinen Blick für diese schärfen und die Kunsthalle K2 in Wien betrachten möchte, hat gegenwärtig in der Galerie Engelhorn (Stubenring 22) Gelegenheit dazu.
(DER STANDARD, Printausgabe, 3.7.2003)


Von Peter Vujica

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