Hittisau, Bregenz (VN-cd) Die
Klassenräume in der Hauptschule Hittisau bleiben in diesen Tagen
meistens leer. Keine Angst, es ist nichts passiert, für die rund 160
Schülerinnen und Schüler wurde der Unterricht nur an andere Orte
verlegt. Dorthin, wo man nicht aufzuzeigen braucht, sondern gleich
loslegen kann - malend, zeichnend oder wie auch immer.
Das Aufzeigen hat ihnen Marbod Fritsch gleich als Erstes
abgewöhnt. "Nach einer kurzen Aufwärmphase haben sie spontan
reagiert und nach ein, zwei Stunden schon ganz tolle Sachen gemalt."
Der Künstler zählt zu jenen, die gestern Vomittag ihre Ateliers für
eine Schar von Zehn- bis Vierzehnjährigen öffneten. Zu Mittag war er
dann ziemlich erledigt. Einmal wird noch gearbeitet, für den dritten
Tag hat er einen Besuch im Kunsthaus Bregenz vorgeschlagen. "Weil
das für die Kinder aus dem Bregenzerwald sicher etwas Neues ist."
Neues erfahren
Dieses Neue, eine neue Erfahrung, das vielzitierte
Hemmschwellenabbauen
stand auch für Direktor Ferdinand Orschulik im Vordergrund, als
er das Projekt vor einigen Monaten konzipierte. Dass man Kinder in
Künstlerateliers schickt, ist nicht gar so ungewöhnlich, dass gleich
eine ganze Schule den Unterricht dorthin verlegt, hat es wohl noch
nicht so oft gegeben.
"Wir haben festgestellt, dass unsere Kinder zu Kunst an sich
keinen Bezug haben. Wir wollten sie mit Vorarlberger Künstlern
konfrontieren, dazu bringen, sich mit Kunst zu beschäftigen."
Vorurteile abbauen
Abgesehen davon ist es dem Hauptschulleiter auch darum
gegangen, Vorurteile abzubauen, die in den Elternhäusern in Bezug
auf moderne Kunst immer noch vorhanden sind. Gerade bei abstrakter
Malerei oder zeitgenössischem Kunstschaffen, das mit scheinbar
"einfachen" Bildern konfrontiert, werde rasch einmal behauptet, dass
das fast jeder könne. In den Ateliers sollen die Kinder, so
Orschulik, erfahren, dass besonderes Können und bestimmte
Fähigkeiten erst einmal die Grundvoraussetzungen sind und dass man
dann eben noch Ideen haben muss.
Gut ein Dutzend Künstle- rinnen und Künstler haben den Aufwand
auf sich genommen und sich bereit erklärt, die Aktion zu
unterstützen. Bei Edgar Leissing in Bregenz wurde gestern Vormittag
eifrig geschnipselt und geklebt. Es ging darum, in herkömmlichen
Illustrierten Bildmotive zu finden, sie auszuschneiden und damit
Collagen zu fertigen. Fotografiert, projiziert und nachgemalt
entstehen dann eigene Kunstwerke. "Die Kinder lernen so genauer
hinzuschauen", weiß Edgar Leissing, und er erklärt seinen eifrigen
Nachwuchskünstlern außerdem gleich einige Tricks, die Werbefachleute
beherrschen. Damit eine Kuh einen Traktor stemmen kann - so ein Bild
in einer Zeitungsanzeige - braucht es nämlich nicht jede Menge
Kraftfutter, sondern unter anderem einen Computer.
Für alle, die nun wissen möchten, was Schüler und Künstler
geschaffen haben, sind Ausstellungen geplant. Die erste findet am 9.
und 10. November im Kulturhaus Hittisau statt.
Das ist lustig. Nachzeichnen allein macht aber noch kein
Kunstwerk.
Ich hoffe, dass die Aktion dazu führt, dass die jungen
Menschen ein besseres Verständnis für Kunst entwickeln.
FERDINAND ORSCHULIK
"VN"-UMFRAGE: WIE SAGT DIR/IHNEN DIESE AKTION ZU?
Wir haben uns die Künstler aussuchen dürfen, sind dann aber auch
einfach eingeteilt worden. Ich bin das erste Mal in einem Ateilier
und schneide da jetzt Pflanzen und Tiere aus Zeitungen aus, die ich
mir mitgebracht habe. Das taugt mir ganz gut. Es ist o. k.
IRENE GMEINER 10 JAHRE, RIEFENSBERG
Es kann natürlich auch sein, dass ich die eine oder
andere Sache dabei für mich entdecke. Kinder gehen ja
unvoreingenommen an eine Sache heran. Es ist schön, wenn ich Kindern
etwas vermitteln kann, auch wenn man mit solchen Wünschen oft an
mich herantritt.
EDGAR LEISSING KÜNSTLER
Bist jetzt haben wir so etwas noch nie gemacht. Ich habe
auch den Künstler vorher nicht gekannt. Ich schneide da jetzt lauter
Traktoren aus Zeitungsbildern aus, dann werden die wieder aufgeklebt
und fotografiert. Ich bin schon sehr gespannt, was für Bilder dann
daraus entstehen.
MATHIAS DORN 12 JAHRE, RIEFENSBERG
Das Arbeiten mit den Kindern ist natürlich höchst
angenehm. Wie ich feststellen konnte, gefällt es ihnen, und die
ganze Aktion ist sicher eine tolle Geschichte. Ich habe zugesagt,
weil es darum geht, dass Kinder etwas Neues kennen lernen, neue
Erfahrungen machen.
MARBOD FRITSCH KÜNSTLER
Ich bin überhaupt das allererste Mal in einem
Künstleratelier und mir taugt das hier wirklich ganz gut. Ich
zeichne jetzt die Konturen von einem Bild von Harald Schmidt nach
und Schatten werden auch noch gestrichelt. Das ist eigentlich gar
nicht so schwer.
YVONNE SMREKAR 13 JAHRE, HITTISAU