Mediennetzwerke als Alternative

Die Demokratisierung der Information wird im Projekt "Takeover Systems, Connect Systems" diskutiert.
Von Andreas Wolf.


Als während des Bosnien-Kriegs die Bomben fielen, wurde auf dem internationalen Medienparkett die Schlacht um die öffentliche Meinung geführt. Wie in Kriegszeiten üblich, war keiner der beiden Kontrahenten um Propagandalügen, Dessinformation und falsches Zahlenmaterial verlegen.

Spätestens seit Vietnam weiß man, dass ohne die nötige Unterstützung der Bevölkerung kein Krieg mehr zu gewinnen ist. Die Art, wie diese auf eine militärische Auseinandersetzung vorbereitet wird, hängt von der Struktur der Medienlandschaft und dem Demokratisierungsgrad der Gesellschaft ab. Im Westen berichteten die internationalen Medienkonzerne von den NATO-Pressekonferenzen, als ob es sich bei den Lagebeurteilungen der Generäle um neutrale Stellungnahmen unbeteiligter Dritter handelte. In Serbien wurden die Medien gleichgeschaltet.

Durch die Verbindung des Internets mit der Freien Radioszene wird das starre Sender-Empfänger-Schema aufgehoben. Als wichtigster Informationslieferant abseits der Kriegspropaganda etablierte sich während des Kosovo-Kriegs der Freie Sender Radio Free B-92, der seinen Sendebetrieb im Internet weiter führte.

Während des Krieges übernahmen zahlreiche freie Radiosender die Nachrichten von Radio Free B-92 und schafften so eine Gegenöffentlichkeit zur offiziellen Informationspolitik. Am Ende des NATO-Bombardements zitierten auch immer mehr staatliche Medien die Berichte von Radio Free B-92. Ähnliche Informationsstrukturen begleiten auch die Anti-Globalisierungsbewegung.

Treffen freier Radios

Takeover Systems, Connect Systems heißt ein Ars-Electronica-Projekt, bei dem mehrere freie Radioverbände aus Deutschland, der Schweiz und Österreich über einen gemeinsamen internationalen Programmaustausch diskutieren.

Mit der Linzer Kunstuniversität haben der Linzer Freie Sender Radio FRO und der neuseeländische Sender Radioqualia ein Konzept für einen internationalen Kunst- und Kulturkanal erarbeitet. Basis für ein solches Unternehmen ist die Etablierung und Verknüpfung von Audio-Datenbanken der freien Radiosender. Diskutiert werden gemeinsame Formate, Softwarelösungen und Kommunikationswege. Als Vorzeigeprojekt der freien Österreichischen Radioszene wird Radio FRO 105,0 sein Know-how dem internationalen Meeting zur Verfügung stellen.

Bereits seit 1998 betreibt Radio FRO 105,0 täglich eine einstündige Informationssendung mit dem Titel FROZINE. Mittlerweile werden mehr als 50% der Sendungsinhalte von anderen Freien Radiostationen übernommen. Sämtliche Beiträge in den Programmaustauschpools stehen den anderen Sendern gratis zur Verfügung.

Radiosprecher kann jeder sein

Programmmacher bei freien Radios mit offenem Zugang kann jeder werden. Auf Werbung wird verzichtet. Diese würde, so die Ansicht der Radiobetreiber, die Meinungs- und Programmvielfalt einschränken. Die Freien Radios finanzieren sich aus freiwilligen Mitgliedsbeiträgen. Die ersten "Listener sponsored"-Radios wurden 1949 in den USA gegründet. Mitte der 80er Jahre wurden die ersten freien Radios in Deutschland etabliert. Seit 1998 sind sie auch in Österreich on Air.

Kritiker der Globalisierung

Freie Radios, so sind die Initiatoren von "Takeover Systems, Connect Systems" überzeugt, leisten in Verbindung mit dem Internet künftig einen immer wichtigeren Beitrag zum Erhalt der freien Meinungsäußerung. Den demokratiepolitischen Defiziten der EU und den Auswirkungen der Globalisierung wollen die freien Radios durch überregionale Kooperationen künftig verstärkt entgegentreten. Vorreiter einer solchen Entwicklung ist das Web-Portal Indymedia, das durch die Demonstrationen in Seattle bekannt geworden ist. Indymedia versteht sich als Meinungs-, Diskussions- und Informationsplattform zu politisch relevanten Themen. Indymedia Austria wurde während des Weltwirtschaftsforumtreffens in Salzburg etabliert. Bei den Protesten in Genua wurde ein Teil der Protestorganisation über diese Internetadresse abgewickelt.

Live von der Ars

Neben den Diskussionsversanstaltungen können die Besucher von "Takeover Systems, Connect Systems" auch das Studio von Radio FRO 105,0 besuchen und mit den Programmacherinnen und Programmachern sprechen, um hinter die Kulissen der medialen Vernetzung der Freien Radioszene zu blicken. Publikumswirksam wird am Linzer Hauptplatz ein Informationsbus über die Freie-Radio-Szene stehen. Damit die erarbeiteten Konzepte nicht nur Theorie bleiben, wird Radio FRO 105,0 täglich live von der Ars Electronica berichten. Die Sendungen werden dann selbstverständlich in den internationalen Programmaustausch-Pool gestellt.

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