Salzburger Nachrichten am 10. März 2006 - Bereich: Kultur
ARCHITEKTUR

Es lebe das Experiment!

Die 6. Architekturbiennale in Sao Paulo fand im Herbst 2005 statt. Österreich wurde durch das Grazer Architekturlabel Splitterwerk vertreten. Ein Teil des Biennale-Beitrages und die dazu erschienene Monografie "Whoop to the Duck! Es lebe die Ente!" wurden am Mittwochabend im Wiener Architekturzentrum präsentiert. Stadtansichten, in denen Gebäude als überdimensionale Frösche oder Enten aus dem Häusermeer hervorlugen, werden mit Videoaufzeichnungen aus dem experimentellen Wohnbau in Bad Waltersdorf kombiniert. In diesem Mietshaus, das sich "Schwarzer Laubfrosch" nennt aber in keiner Weise wie ein solcher aussieht, finden sich neuartige Wohnungstypen: Ein länglicher leerer Raum dient als Wohnraum. Hinter Schranktüren verbergen sich Bad, Küchenzeile, Bett und Tisch. Je nach Bedarf können diese Türen geöffnet und die Möbel herausgeklappt oder -geschoben werden. "So wie jeder Computer alle Programme drauf hat, muss jeder Raum alles können", lautet die dazu gehörende Idee. Der "Schwarze Laubfrosch" ist die Fortsetzung des "roten Laubfrosches", einem Wohnbau in Bürmoos.

Aus Anlass der Eröffnung

hatte die verantwortliche Kuratorin Angelika Fitz zu einer Diskussionsrunde eingeladen. Neben zwei Mitgliedern von Splitterwerk saß der Bauherr des "Schwarzen Laubfrosches", der Hauptschullehrer Franz Brugner, und der Architekturkritiker Christian Kühn auf dem Podium. Ob der Bauherr wirklich ein Stück Weltarchitektur à la Mies van der Rohe bestellt hat, wie die Architekten gerne erzählen, ist auch nach dem Abend schwer zu beurteilen. Sicher ist, dass Brugner offen für Neues war und damit der richtige Auftraggeber für Splitterwerk, um ihre bereits entwickelte Wohnform zu realisieren. Sicher ist auch, dass für eine neuartige Architektur schwierige Bedingungen herrschen. Bei Umbaumaßnahmen sind Kostenüberschreitungen keine Seltenheit, ebenso beim Bau eines Architekturexperiments. Da der "Schwarze Laubfrosch" beides war, lagen die endgültigen Kosten weit über dem anfangs kalkulierten. "Solche Architektur bedeutet einen unglaublichen Mehraufwand für alle", sagt Splitterwerk. Allein wie schwierig es war Mieter für die Wohnungen zu finden, verdeutlicht den steinigen Weg, den Bauherr und Architekt gemeinsam gegangen sind: "Wir mussten eine Musterwohnung machen, damit die Leute sehen, was man mit einer solchen Wohnung anfangen kann", erzählen die Architekten. So fuhren sie selbst zu Ikea, um Möbel einzukaufen. Inzwischen sind bis auf eine alle Wohnungen vermietet. Franz Brugner hat auf jeden Fall die Freude an dieser Art Architektur nicht verloren. Er würde den "schwarzen Laubfrosch" gerne verkaufen, sagt er, um seine Schulden abzubezahlen und um noch einmal bauen zu können. ANNE ISOPP Die Ausstellung läuft bis 27. März. Das Buch "Whoop to the Duck! Es lebe die Ente!" erschien im Springer Verlag.