"Jetzt endlich das Leben"

"Jeder durfte sich seine persönliche Umgebung bauen, das schützt ja sehr. Da hat man dann ein kleines Theorie-Kinderzimmerchen, da ist man sicher nicht so ausgeliefert."


Die in Wien lebende Kulturtheoretikerin und Performerin Katherina Zakravsky setzt sich in ihren Arbeiten u.a. mit experimentellem Theater und populärkulturellen Themen wie dem Science Fiction Film auseinander. Zur Zeit führt sie gemeinsam mit LuxFlux (A) und Saira Blanche Theatre (Rus) die Performance Research "A Season" durch.

Katherina Zakravsky / ©Bild: Oleg Soulimenko
Katherina Zakravsky / ©Bild: Oleg Soulimenko

Wie sehen Sie das derzeitige Verhältnis von Kunst und Theorie?

Ganz eng. Seit den 80er Jahren ergibt sich da ja eine regelrechte Symbiose, nur ging dieses enge Verhältnis eher von der bildenden Kunst aus. Nachdem dieses Verhältnis jetzt schon sehr etabliert ist, glaube ich, dass es sich auf andere Kunstsparten erweitert.

"dis-positiv" fragt auch nach dem "Fortgang der Kunst". Wie lässt sich dieser voraussagen?

Da gibt es eine größere und eine kleinere Perspektive. Die kleinere, die mich interessiert, ist: Wie geht es mit Performance weiter? Die Performance als Kind der bildenden Kunst, auch der feministisch geprägten Avantgarde, kam natürlich schon vor einiger Zeit in die Jahre, das merkt man in Wien nicht so, weil da alles immer ein bisschen später Platz greift.

Die fernere, also die größere Zukunft der Kunst, die sehe ich nicht schwarz, aber in einem Wandlungsprozess. Ich glaube prinzipiell nicht an die Autonomie der Kunst. Ich glaube an die Metonymie der Kunst, dass sie sozusagen immer schon eine Kompensationsform war, angesichts sehr schwieriger Lebensformen der bürgerlichen und postbürgerlichen Gesellschaft. Ich glaube, die Kunst muss ihre eigene moderne Geschichte noch einmal durcharbeiten, um zu entdecken, dass ihre scheinbare Freiheit ziemlich genau festgelegt ist.

Das würde die Rolle der Kuratoren und Vermittler eher stärken.

Genau. Das ist die eigentlich sehr logische Kuratoren-Zentriertheit des derzeitigen Kunstbetriebs. Das ist nicht nur eine politisch-mediale Verfilzung, sondern auch eine Notwendigkeit. Da man in der Kunst immer mehr mit Systemen arbeitet, die von vornherein Information produzieren und modifizieren, wie etwa die neuen Medien, sind der Kurator und der Künstler sozusagen janusköpfig. Sie brauchen einander und können sogar in Personalunion auftreten.

Besteht nicht die Gefahr, dass die Kunst auf diese Weise in anderen gesellschaftlichen Bereichen verschwindet?

Die Kunst ist seit der Moderne ein permanenter Auflösungsprozess ihrer selbst, und weil sie schon immer dieses leicht Kannibalische und zugleich leicht Gespenstische hatte, hat sie sich auch jedes Mal wieder Blut aus dem sogenannten Leben geholt. Die Geschichte der Moderne ist dieser permanente Aufstand: keine Kunst und jetzt endlich das Leben. Der Ausruf "Leben!" ist ein kunstinternes Projekt. Nur hat sich das Leben - und das ist die Ironie bei dem Ganzen - ständig aus anderen Gründen mitverändert, was die Künstler oft ein wenig ignoriert haben. Das Leben ist selbst äußerst künstlich geworden.

Sie sind eine der beiden Frauen, neben neun Männern, die an "dis-positiv" teilnehmen. Mehrere Kandidatinnen haben abgesagt, weil sie es als unangenehm empfinden, sich ausstellen zu lassen. Wie gehen Sie damit um?

Ich kann das schwer nachvollziehen. Ich glaube, dass es in Wien noch eine ganz bestimmte Form von Feminismus gibt, die meines Erachtens schon anachronistisch ist. Die besteht in Verweigerung, in Rückzug und vorauseilenden Angstreaktionen. Ich persönlich habe mich herausgefordert gesehen. Es wundert mich ja, dass andererseits die Männer es so unglaublich cool finden, ausgesetzt zu sein. Ich glaube, man ist kein Objekt, wenn man eine Umgebung hat. Jeder durfte sich seine persönliche Umgebung bauen, das schützt ja sehr. Da hat man dann ein kleines Theorie-Kinderzimmerchen, da ist man sicher nicht so ausgeliefert.

Sie werden persönliche Utensilien mitnehmen?

Ich habe auf jeden Fall um ein Video gebeten. Für mich war klar, kein Telefon, kein Computer, kein Internet, also keine Utensilien, die jetzt so im Vordergrund stehen. Ich wählte mir etwas anachronistisch die Hi-Tech-Entwicklung der 70er Jahre, das Video. Dann werde ich noch etwas Archaischeres mitbringen, so eine Art Schreibtisch-Hausaltar, das ist eine Pinnwand, mit Fotos gespickt, die jeweils meinen derzeitigen Stand oder Vorlieben oder auch jahreszeitliche Stimmungen wiedergeben. Das ist quasi mein persönliches bildendes Kunstwerk.

Tipp:

Katherina Zakravsky wird am 3. Mai von 9 bis 13 Uhr Gast im Glasraum von dis-positiv sein.

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