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18.07.2002 - Ausstellung
Mit all ihren Ecken und Kanten: Die Moderne auf der Diskus-Scheibe
Josef Pillhofer formiert im Oberen Belvedere seine "Köpfe" zu einem Lehrstück der Moderne.
VON ALMUTH SPIEGLER


Die Kante. Messerscharf, spitz, hart und fordernd, doch auch geschwungen, sanft. Eigentümlich schwerelos zerschneidet sie zur Zeit die Luft im Erdgeschoß des Oberen Belvederes. Man schlängelt sich durch Stelen mit zartem Hals und runder Plattform, auf denen Bildhauer Josef Pillhofer seine "Köpfe" zum Schweben gebracht hat.

Wie auf Salomes Teller präsentiert einer der österreichischen Meister der Moderne, der - ein altes Schicksal - doch immer im Schatten seines mächtigen Lehrers Wotruba steht, ein zentrales Thema seines beinahe siebzig Jahre währenden Schaffens.

Erstaunlich ist die Vielfalt der Materialien - von Bronze, Marmor über Kirschholz und Gips. Doch linear verlief Pillhofers Weg nie. Abstraktion und Gegenständlichkeit existieren bei ihm gleichberechtigt nebeneinander. Selten wird einem die Reduktion des menschlichen Körpers, hier des Kopfes, so nachvollziehbar gemacht.

Mancher Blickwinkel rückt plötzlich einen der Gipsköpfe vor verschachtelte metallene Kuben. Stirn, Nase, Hals - die genaue Beobachtung bringt eine Klarheit, die heute oft schleißig übergangen wird.

Diese Klarheit der Form und die Naturbeobachtung sind Qualitäten, die er in der zeitgenössischen Kunst schmerzlich vermisse, merkte der 81jährige Bildhauer in einem Gespräch vor zwei Wochen bitter an. Was einerseits altmodisch klingen mag, sollte doch zur kritischen Bestandsaufnahme anregen.

Das Glück bedeutender Lehrer hat Pillhofer jedenfalls genießen können. Bei einem Studienaufenthalt in Paris 1950/51 lernte er beim Kubisten Ossip Zadkine. Henri Laurens nahm ihn unter seine Fittiche und die Bekanntschaft mit Giacometti wirkt in den zerklüfteten Oberflächen der gegenständlichen Köpfe nach: Der Büste von Sir Karl Popper verlieh er 1996 durch die derart bewegte Struktur eine den Betrachter beinahe annektierende Wärme.

Ein anderes Extrem ist die Reduktion auf eine Urgestalt - Pillhofer nennt sie "Einform", ein sanftes, nur unmerklich geschliffenes Oval, Reminiszenz an Brancusi, der ihn bei einem Besuch tief beeindruckte.

"Mehr Kritik" forderte der in Mürzzuschlag lebende Künstler auch. Voilà. In der Ausstellung finden sich zwei "Köpfe" aus 2001, aus bemaltem Aluminiumblech und Eisen. Enttäuschend. Glatt und abweisend wirken die Konstruktionen, das Rot und Blau, die graphischen Details, verdecken die sonst so sicher erkannte klare Form, die Pillhofers Werk auszeichnet.



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