Die Kante. Messerscharf, spitz, hart und fordernd, doch
auch geschwungen, sanft. Eigentümlich schwerelos zerschneidet sie zur Zeit
die Luft im Erdgeschoß des Oberen Belvederes. Man schlängelt sich durch
Stelen mit zartem Hals und runder Plattform, auf denen Bildhauer Josef
Pillhofer seine "Köpfe" zum Schweben gebracht hat.
Wie auf Salomes Teller präsentiert einer der
österreichischen Meister der Moderne, der - ein altes Schicksal - doch
immer im Schatten seines mächtigen Lehrers Wotruba steht, ein zentrales
Thema seines beinahe siebzig Jahre währenden Schaffens.
Erstaunlich ist die Vielfalt der Materialien - von
Bronze, Marmor über Kirschholz und Gips. Doch linear verlief Pillhofers
Weg nie. Abstraktion und Gegenständlichkeit existieren bei ihm
gleichberechtigt nebeneinander. Selten wird einem die Reduktion des
menschlichen Körpers, hier des Kopfes, so nachvollziehbar gemacht.
Mancher Blickwinkel rückt plötzlich einen der Gipsköpfe
vor verschachtelte metallene Kuben. Stirn, Nase, Hals - die genaue
Beobachtung bringt eine Klarheit, die heute oft schleißig übergangen wird.
Diese Klarheit der Form und die Naturbeobachtung sind
Qualitäten, die er in der zeitgenössischen Kunst schmerzlich vermisse,
merkte der 81jährige Bildhauer in einem Gespräch vor zwei Wochen bitter
an. Was einerseits altmodisch klingen mag, sollte doch zur kritischen
Bestandsaufnahme anregen.
Das Glück bedeutender Lehrer hat Pillhofer jedenfalls
genießen können. Bei einem Studienaufenthalt in Paris 1950/51 lernte er
beim Kubisten Ossip Zadkine. Henri Laurens nahm ihn unter seine Fittiche
und die Bekanntschaft mit Giacometti wirkt in den zerklüfteten Oberflächen
der gegenständlichen Köpfe nach: Der Büste von Sir Karl Popper verlieh er
1996 durch die derart bewegte Struktur eine den Betrachter beinahe
annektierende Wärme.
Ein anderes Extrem ist die Reduktion auf eine Urgestalt -
Pillhofer nennt sie "Einform", ein sanftes, nur unmerklich geschliffenes
Oval, Reminiszenz an Brancusi, der ihn bei einem Besuch tief beeindruckte.
"Mehr Kritik" forderte der in Mürzzuschlag lebende
Künstler auch. Voilà. In der Ausstellung finden sich zwei "Köpfe" aus
2001, aus bemaltem Aluminiumblech und Eisen. Enttäuschend. Glatt und
abweisend wirken die Konstruktionen, das Rot und Blau, die graphischen
Details, verdecken die sonst so sicher erkannte klare Form, die Pillhofers
Werk auszeichnet.
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