Kein Vesuv zum Geburtstag
Von Claudia Aigner
Wenn von Anne Schneider Architekturmodelle angekündigt
werden, dann rechnet man eigentlich schon damit, dass die Künstlerin
vielleicht "Barbies Villa beim Ausbruch des Vesuvs" spielt und, weil heiße
Lava bei uns ja eher schwer zu bekommen ist, halt flüssiges Wachs nimmt.
Oder man hätte sich wenigstens Puppenhäuser mit den Innenwänden nach außen
und den Möbeln vor der Tür erwartet. Schließlich ist Anne Schneider ja
eine berüchtigte Puppenmutti mit dem "Feingefühl" der bethlehemitischen
Kindermörder, die ihre Puppen mit Wachs übergießt oder ihnen den Kopf wie
einen Handschuh umdreht und ihre Eingeweide nach außen kehrt. Was man
nun freilich bis 10. März in der Galerie König (Schleifmühlgasse 1a) zu
sehen bekommt, ist fast schon erschreckend idyllisch. Eine heile Welt von
blumigen Wachsklumpen, die ein raffiniertes Naheverhältnis haben zu
Formen, die einem irgendwie bekannt vorkommen, sich aber nie wirklich
festlegen. Und die alles zugleich sind: Blüten, Schneckengehäuse, Muscheln
und Ohrwascheln mit Gehörgang. Und ein Wachsobjekt hat sogar große
Ähnlichkeit mit einer "Kärntner Kasnudel". Die Öffnungen sind eine
Herausforderung für den Voyeurismus. Ob man jetzt um die Kurve schauen
können muss oder die "Blumen" so weit aufgerissen sind, dass ihre
Botschaft nur sein kann: "Bestäub' mich!" Ständig hat man das Gefühl, in
wildfremde Intimzonen hineinzuspähen bzw. jemandem ins Schlafzimmer oder
in den Mund zu blicken. Durch die gespannten Fäden im Inneren schwillt das
indiskrete Gefühl dermaßen an, dass man schon soweit ist, einer Biene, die
nur ihren Job macht, zu unterstellen, sie begehe auf einer fremden Blume
Hausfriedensbruch. Irgendwie ist Schneider ihren umgestülpten Puppenköpfen
also doch treu geblieben, bei denen ja quasi ebenfalls das Intimste, was
nicht für jedermanns Augen bestimmt ist, der Schaulust ausgesetzt ist.
Schneiders "Geburtstagstisch" (der mir allerdings ein bisschen zu
vollgerammelt ist, sodass die einzelnen Gaben sich schon gegenseitig die
Ausstrahlung rauben) ist dann so etwas wie ein Rorschachtest aus Wachs.
Eine Anhäufung von rosaroten Wachsbrocken, die sich mehr oder weniger klar
als erkennbare Gegenstände outen: eine Geburtstagstorte, Geschenke, deren
Verpackung schon Selbstzweck ist, oder verschnörkelte Formen, die man
sonst nur einem "Goldmedaillengewinner im Bleigießen" zutrauen würde.
Freilich ein Rorschachtest, der seine Kompetenzen überschreitet und
zwischendurch so eindeutig wird, dass er einem die sexuellen Fantasien
regelrecht unterjubelt (besonders mit seinen Erektionen). Der Kontrast
zwischen der pinken Kleinmäderlwelt und der "Volljährigkeit des
Unterbewusstseins" (bezeichnenderweise stecken auf der Torte 20 Kerzen)
ist Anne Schneider gelungen. Ich wage aber nicht zu entscheiden, ob das
jetzt mehr über die aussagt, die den Tisch gedeckt hat, oder über die, die
lediglich zur Geburtstagsparty eingeladen wurde.
Erschienen am: 20.02.2001 |
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